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Alte Dame auf Reisen

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Zum Höhepunkt der bisherigen Spielzeit, zum Ereignis schlechthin, wurde die Premiere von Gottfried von Einems Oper „Der Besuch der alten Dame“, die das Stadttheater beehrte und nichts von jener kalten, dem Makabren verbundenen Rache vermissen ließ, die — ein blutroter Faden — als „Schrei nach Gerechtigkeit“ der Dürrenmatt-Handlung den Inhalt gibt. Ein der Kunst verpflichtetes Trio — Robert Filzwieser (Musikalische Leitung), Tamds Fer-kai (Regie) und Matthias Kralj (Bühnenbild) — schuf dem Werk Klang-, Spiel- und Lebensraum und weckte den Beifall auch jener, die in der Oper sonst Melodienschweigen und Arienglanz suchen, von dem sie im Gedächtnis etwas heimnehmen können. Einems Musik gibt der vertrackten Handlung den Sinn; sie unterstreicht; was Dürrenmatt seine Gestalten sagen und leiden läßt, gibt den Hörnern den Ruf des Gerichts und macht nur selten ganz schüchtern darauf aufmerksam, daß es einst heiße Liebe gab, die sich, verraten, in kalte Rache wandelte.

Das Orchester, sicher geführt, schöpft aus dem Vollen. Die Regie, um kluge, funebre, ironische Lichter nie verlegen, führt die einzelnen wie die Masse zum Höhepunkt von Mord und Totschlag und zum Tanz der Bewohner Gullens ums „Goldene Kalb“, das hier ein Scheck ist. Das Bühnenbüd spielt mit, gibt Vordergrund und Stimmung, dahinter ein gnadenloser Himmel, der Wellen zu schlagen scheint, die den armen Sünder verschlingen werden. Dieser namens III, in Willi Nett stimmlich und darstellerisch immer präsent und gleichsam um höhere Rettung bemüht, fand sich dem Schreck-und Scheckgespenst Ciaire Zacha-nassian hilflos ausgeliefert, die in Gudrun Volkert eine Interpretin von unheimlicher Strahlung hatte: männerverschlingend, gnadenlos und berechnend setzte sie die Dolchstöße der Stimme in Raum und Herz, die Schwierigkeit des Parts bewundernswert überwindend. Als einer jener Vielen, die Volk, Leut' und als Menschen — laut Nestroy — a Bagasch sind, stellte Edgar Wählte den Bürgermeister einer Gemeinde vor, die das Gemeine vertritt und der „alten Dame“ in ihrer Uberzeugung recht gibt, bei Käuflichkeit komme es nur auf den Preis an.

Man müßte sie alle nennen, die dem Abend einen Erfolg gaben, der auch in einer Großstadt ein voller wäre. Klagenfurt darf sich seiner rühmen. Stürmisch wurden die Gestalter und die Ausführenden akkla-miert, in deren Mitte Gottfried von Einem für die Ovationen danken konnte.

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