6972863-1985_37_02.jpg
Digital In Arbeit

Briefwahl möglich

Werbung
Werbung
Werbung

Österreichs „zehntes Bundesland“ will endlich wählen dürfen. Die in der Welt verstreuten Staatsbürger unserer Republik reklamieren seit vielen Jahren dieses demokratische Recht. Beim Weltverbandstag am vergangenen Wochenende haben sie es wieder getan.

Vielfach wird dagegen die angebliche Verfassungswidrigkeit angeführt. Hat nicht erst jüngst der Verfassungsgerichtshof sie festgehalten?

Das Höchstgericht hat der Briefwahl in niederösterreichischen Statutarstädten vor Monaten eine Absage erteilt. Vielfach wurde dies als ,JSieg“ der Einspruch erhebenden Bundesregierung gedeutet. Damit aus einer Legende nicht eine Uberzeugung wird, sollte doch beizeiten festgehalten werden, daß dies ein Irrtum ist.

Was hat der Verfassungsgerichtshof am 16. März 1985 festgestellt? Daß „die angefochtene landesgesetzliche Briefwahlregelung“ sowohl dem Grundsatz der geheimen wie auch dem Prinzip der persönlichen Wahl widerspreche. ie angefochtene“: also nicht jede schlechthin!

Geheim sei diese Regelung deshalb nicht, weil der Landtag die ihm zukommende Aufgabe, für eine wirklich geheime Wahl zu sorgen, auf den Wähler selbst abwälzt; dieser sollte mit Unterschrift bestätigen, daß er sich bei Ausfüllung des Stimmzettels unbeobachtet glaubte. Logische Vermutung: Wer einen Wähler nötigt, nötigt ihn auch gleich zur falschen Unterschrift.

Ergänzung: ,JDer Verfassungsgerichtshof verkennt freilich nicht, daß dem Prinzip des geheimen Wahlrechts für bestimmte Personengruppen ... durchaus in anderer Weise entsprochen werden kann.“

Was die persönliche Stimmabgabe anlangt, so meinte der Verfassungsgerichtshof, daß der Wähler im Stimmlokal oder vor einer Wahlkommission „oder einem die Aufgaben einer solchen Kommission adäquat besorgenden Staatsorgan“ zu erscheinen habe. Wer dächte da nicht etwa an eine Botschaft oder an ein Konsulat und damit an die Möglichkeit einer Stimmabgabe auch durch Auslandsösterreicher?

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist eindeutig: Möglich wäre das ebenso wie eine Brief wähl — nur die vom Niederösterreichischen Landtag seinerzeit für Statutarstädte beschlossene Wahlordnung entsprach den Anforderungen nicht.

Eine bessere könnte von jedem Landtag — und für ganz Österreich von National- und Bundesrat — jederzeit im Einklang mit der Verfassung beschlossen werden!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung