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Digital In Arbeit

Castros faule Vögel

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„Drückebergerei, Parasitismus und Müßiggang haben in Kuba die Arbeitsmoral unterminiert" und sie gefährden die Arbeitsproduktivität im höchsten Maße. Alle Strafmaß - nahmen erwiesen sich als ein Schlag ins Wasser. In Kürze folgt daher dias „Müßiggängergesetz“ sowjetischen Stils, mit der Aufgabe, die Arbeitsmoral wieder herzustellen und die verlorengegangene Arbeitsproduktivität ZJU sichern.

Auch Fidel Castro muß es nun erleben, daß der ärgste Feind des staatlichen Arbeitskollektivismus nicht außerhalb der Staatsgrenzen, sondern innerhalb der Partei zu finden sei und „Mensch" heißt Damit ist die Legende vom „Sozialismus ohne Zwang“ auf der Zuckerinsel zerstört.

Castros Regime fühlt sich gezwungen, nach Sowjetmuster einen neuen „Mechanismus“ ekuzuführen, um die chronische Drückebergerei, Rummeln und Fernbleiben von der Arbeit mit rigorosesten Maßnahmen zu unterbinden. Wortattacken, Drohungen hatten keine Wirkung auf die vielen „Mongollonen“, wie „faule Vögel“ tituliert worden waren. Die Politik von „Mohnrübe und Stock“ (lies: Zucker und Peitsche) hat versagt; jetzt gibt die Partei ein hartes Gesetz in die Hände der Behörden.

In Kuba ist die niedrige Arbeitsproduktivität historische Tradition. Dem neuen Regime ist es nicht gelungen, daran Viel zu ändern, obwohl im Jahre 1970 im Rahmen des ,.gran zafra“ die Arbeiterschaft mit Rekordintensität für Massen- und Spitzenaufgaben der nationalen Wiirtschaftspläne mobilisiert wurde.

„Rehabilitierungszentren“

Der neue Gesetzentwurf beschreibt die Arbeit als „eine soziale Pflicht für alle körperlich geeigneten Männer und Frauen“. Die „Parasiten“ werden explizite angeführt: die ein kriminelles, müßiggängepsches

Leben führen; die mit gelegentlichen, unproduktiven Arbeiten ihren faulen Lebensweg zu tarnen suchen; die ständig die Arbeitsplätze wechseln; die von der Arbeit und dem Dienst öfter fernbleibert, usw. Last but not least: Elemente, denen die disziplinarischen Verordnungen der „Arbeitsräte“ nicht geholfen haben. Für alle Kategorien sind sogenannte „Rehabilitierungszentren“ nach Sowjetvorbild vorgesehen, die nichts anderes als Arbeitsstraflager sind. Der „kriminelle Müßiggänger“ wird dort Gelegenheit haben, in sechs bis 24 Monaten „eine produktive Arbeit“ zu erlernen und auszuüben. Die Lagerinsassen können auch außerhalb der „Rehabilitie- rungszentren“, wie etwa zur Zeit der Zuckerrohremte, eingesetzt werden. Für „vorkriminelle Bummler“ ist die höchste Strafe zwölf Monate.

Das Gesetz ist eben in Kraft getreten, eine Vorwirkung war aber schon spürbar. Laut Arbeitsminister Jorge Risquet haben bereits 40.000 Kubaner, die vom „Landstreichergesetz“ bedroht seien, bis zu zwei Jahren quasi auf Vorschuß in solchen Arbeitslagern eine „produktive“ Arbeit ausgeübt. „Rehabilitierungß- zentren“ stalinistischen Stils sind der kubanischen Mentalität freilich fremd, und es ist fraglich, ob die Betroffenen dazu gehracht werden können, sich „freiwillig für den Aufbau des kubanischen Sozialismus“ ‘zu engagieren und ob mit diesen Maßnahmen die Arbeitsproduktivität verbessert werden kann.

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