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Clintons erste Karibik-Krise

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Die Absetzbewegung von Haiti in die USA könnte nach der Amtsübergabe in Washington sofort wieder beginnen - Bill Clinton versprach während des Wahlkampfes in „Little Haiti” in Miami unter Jubel, er würde eine verständnisvolle Asylpolitik gegenüber flüchtenden Haitianern betreiben.

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Die Absetzbewegung von Haiti in die USA könnte nach der Amtsübergabe in Washington sofort wieder beginnen - Bill Clinton versprach während des Wahlkampfes in „Little Haiti” in Miami unter Jubel, er würde eine verständnisvolle Asylpolitik gegenüber flüchtenden Haitianern betreiben.

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George Bush hatte auf den bedrohlich anwachsenden Strom von haitianischen „boat people” mit einer rigorosen Einwanderungssperre geantwortet und an die zehntausend Flüchtlinge zurückbringen lassen. Diese harten Maßnahmen haben den Flüchtlingsstrom eingedämmt. Nicht eingedämmt haben sie das Elend auf der haitianischen Seite der Karibikinsel Hispaniola, wo das jährliche ProKopf-Einkommen bei 300 Dollar stagniert. Denn das Land bleibt in der Sackgasse, in die es mit der Absetzung des radikalen Priester-Präsidenten Aristide im September 1991 durch Offiziere geschlittert ist.

Das damals erfolgte Wirtschafts-Embargo der Organisation Amerikanischer Staaten zerstörte die geringen Hoffnungen auf wirtschaftliche Erholung des von der Duvalier-Diktatur über Jahrzehnte hinweg ausgeplünderten Landes, die Montage-Industrien im Umkreis von Port-au-Prince sperrten zu oder verlagerten in die benachbarte Dominikanische Republik; der Bade-Tou-rismus versiegte; die Vergnügungsdampfer der karibi-schen Kreuzfahrten strichen die malerische haitianische Kapitale aus ihren Programmen.

Die Flucht aus dem Elend, in primitiven Segelbooten, auf Flößen oder auch nur aneinandergebundenen Autoreifen, ist der letzte Ausweg für viele Bürger, die hoffen, sich in Kanada oder in den USA eine Existenz aufbauen zu können. Bevor Präsident Bush die Migrationswelle abrupt stoppte, waren an die 40.000 Haitianer - wieviele auf der karibischen 1.000-Kilometer-Drift verdursteten oder ertranken, bleibt unbekannt - in die Nachbarregionen gekommen.

Wie wird die neue Clinton-Regierung handeln? Eine nachgiebige Asylpolitik würde ohne Zweifel eine neue Flüchtlingswelle von schwarzen Haitianern (die in Florida, im Gegensatz zu den castrofeindlichen „weißen” Kubanern, nicht willkommen sind) auslösen. Ein Aufheben der Embargo-Politik zur Linderung der Not der bankrotten Inselrepublik kann sich die Clinton-Regierung nicht leisten, weil dies die Legitimierung des Militärputsches von 1991 bedeutete. Das Repatriieren von „boat people”, rigoros wie es Bush veranlagte, würde Clintons Wahlversprechen als Lüge entlarven.

Jedenfalls ist die Aufregung in Clintons Team groß, seit Satelliten-Aufklärungsfotos gezeigt haben, daß in Haiti derzeit an 600 Booten gebaut wird. Das mag für eine Fischer-Nation normal sein, aber niemand kann das in Washington genau abschätzen. So sollen jetzt einige Signale und symbolische Maßnahmen helfen. Gleich nach Amtsübernahme soll ein präsi-dentialer Erlaß eingreifen: Echte politische Asylsuchende sollen durch eine Vervielfachung des US-Konsu-larpersonals in Port-au-Prince, auf den Bahamas, dem US-Marinestützpunkt Guantanamo in Kuba und in Florida rasch Hilfe und Aufnahme finden.

Reine Wirtschaftsflüchtlinge jedoch sollen wie bisher entmutigt und abgeiffi\\\\*wehrt werden. Auf eine politische Lösung in Haiti, die das Embargo überflüssig machen würde, wird auch über die Vereinten Nationen gedrängt.

Das alles kann jedoch den Widerspruch nicht ausräumen, daß Bill Clintons Wahlkampf-Rhetorik auf Haiti den Eindruck hervorgerufen hat, illegale Einwanderungsversuche würden ab Ende Jänner milder als bisher behandelt.

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