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Costa Rica zeigt Zähne

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Ausgerechnet Costa Rica, Mittelamerikas kleines, 2,6 Millionen Bürger zählendes Musterländle, rutscht jetzt in den Mittelpunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Zone. Ja, es könnte zum Katalysator einer offenen Konfrontation mit Nikaragua werden.

Costa Rica („Reiche Küste“), bereits seit 1949 ohne Armee, rief im November 1983 überdies noch die „aktive, immerwährende und unbewaffnete Neutralität“ aus.

Diese unorthodoxe Neutralitätserklärung geht auf Costa Ricas demokratisch gewählten Staatschef Luis Alberto Monge von der sozialdemokratischen „Partido de Liberacion Nacional“ zurück, und heißt deshalb auch „Monge-Doktrin“. Mit dieser Erklärung wollte Monge seinem wirtschaftlich schwer belasteten Land die zusätzlichen Kosten ersparen.

Da jedoch Costa Rica keine Armee unterhält und seine bewaffnete Polizei, Guardia Civil und Guardia Rural, für Grenzschutzaufgaben nicht taugt, entbrannten entlang der Grenze mit Nikaragua immer häufiger Scharmützel zwischen der sandinistischen Armee und den Arde-Partisanen des ehemals sandinistischen Haudegens „Comandante Zero“, Eden Pastora.

Er unterhält von Costa Rica aus allein eine Front gegen Managua, weü er nichts mit den in Honduras stationierten und von Anhängern des im Bürgerkrieg gestürzten Diktators Somoza durchsetzten Konterrevolutionären zu tun haben will.

Präsident Monge, der sich von Westeuropa wie auch von der Sozialistischen Internationale - der seine Partei angehört - im Stich gelassen fühlt, appellierte daher an die Vereinigten Staaten, die im Frühjahr einige Dutzend militärische Ausbildner ins Land schickten. Sie machten aus Teilen der Guardia Civil eine professionelle, 750 Mann starke Spezialeinheit mit Anti-Terroraufgaben. Inzwischen trainiert auch das befreundete Venezuela auf eigenem Boden einige Dutzend costarikani-scher Nationalgardisten.

Es kam, wie es kommen mußte. Eine trainierte und ausgerüstete Guardia Civil lief nun nicht mehr davon, wenn an der Nordgrenze geschossen wurde, sondern begann den Grenzschutz ernst zu nehmen. Als sandinistische Patrouillen am 31. Mai bei der Verfolgung von Pastora-Partisanen costarikanisches Territorium unter Beschuß nahmen, gab es auch bei der Guardia Civil zwei Tote und einige Verletzte.

Costa Rica, dessen Verhältnis zu Nikaragua bereits gespannt war, fühlte sich durch diesen Vorfall ernsthaft bedroht. Es sieht seine Neutralitätspolitik in Gefahr, mißtraut den Bemühungen der lateinamerikanischen Conta-dora-Gruppe um einen Frieden in Mittelamerika und drängt stattdessen auf eine Uberwachungsund Schiedsrichterrolle der von den USA dominierten „Organisation Amerikanischer Staaten“.

Letzteres will jedoch Nikaragua wegen seiner immer heftigeren Auseinandersetzungen mit Washington vermeiden. Deshalb boten die Comandantes in Nikaragua zur Entschärfung der Situation eine Überwachung des Grenzbereiches durch eine internationale Kommission an.

Das wäre Costa Rica noch vor einem Jahr als eine genügende Absicherung erschienen — heute lehnt der gereizte südliche Nachbar Nikaraguas dies als ungenügend ab.

Daß Costa Rica unter solchen Umständen erfolgreich seine wirtschaftliche Sanierungs- und Stabilisierungspolitik weiterführen kann (1984 gab es erstmals wieder einen kräftigen Wachstumsimpuls von 3,4 Prozent) und seine Außenschuld von 4,25 Milliarden Dollar gekonnt managt, ist der Silberstreif, der das mittelamerikanische Land wohltuend von den so chaotischen Nachbarn abhebt.

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