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Versuche aus Vaduz

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Im November 1972 wurde in Vaduz das „Institut zur Förderung der Erwachsenenbildung in Iberoameri-ka“ gegründet.

Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte der Erwachsenenbildung in Iberoamerika ideell wie materiell zu unterstützen und zu fördern.

Infolge bereits vorhandener Kontakte des geschäftsführenden Vorstandes in Zentralamerika konnte ein Projekt in Costa Rica in Angriff genommen werden, das als Beispiel für weitere Bildungsinstitutionen in Lateinamerika gedacht ist. Im Dezember 1973 wurden dann die letzten technischen und juristischen Fragen geklärt und wurde die erste Starthilfe gegeben, die das Institut aus privaten Spenden aufgebracht hatte.

Es besteht nunmehr in Costa Rica mit Genehmigung und Unterstützung der dortigen Behörden, des Unterrichts-, Innen- und Finanzministeriums ein liechtensteinisches Institut. Es ist das erste ausländische Institut dieser Art überhaupt und wird seine Arbeit noch in diesem Monat aufnehmen.

Wie sieht diese Arbeit aus? Vorerst einiges über das System der vom liechtensteinischen Institut in Costa Rica durchgeführten Erwachsenenbildung. Angepaßt an lateinamerikanische Verhältnisse, wird das System ECCA übernommen. ECCA (Emisora Cultural Canaria) ist ein Bildungssystem via Radio, das auf den Kanarischen Inseln 1965 geschaffen wurde und bis heute in acht Jahren über 88.000 Erwachsene ausgebildet und den jeweiligen Prüfungen zugeführt hat. Seit 1971 auch in der Dominikanischen Republik eingeführt, hat es in zwei Jahren über 14.000 Erwachsenen eine Primär- und Sekundärausbildung vermittelt. 77 Prozent der Teilnehmer bestanden ihre Prüfungen vor den staatlichen Prü-f ungskommissionen.

Der Unterricht nach dem ECCA-System wird dem Schüler ohne Vermittlung eines Hilfslehrers und ohne daß er das Haus verlassen und sich mit anderen treffen müßte, unmittelbar durch den Radiolehrer an Hand eines Schemas erteilt, das dem Schüler wöchentlich zugestellt wird. Das Schema enthält auf der Vorderseite des Bogens die vom Radiolehrer ausgearbeiteten Vorlagen. So ist der Schüler nicht nur akustisch, sondern auch visuell voll beansprucht. Er muß während des Unterrichts nach Anweisung des Radiolehrers auf der Vorlage Aufgaben ausführen. Die Rückseite des Schemas enthält weitere Aufgaben, die der Schüler am Wochenende dem Korrektor vorlegt. Dieser verbessert während der folgenden Woche nach einer ihm zur Verfügung gestellten Vorlage die Arbeit des Schülers und händigt sie ihm am nächsten Wochenende wieder aus, zusammen mit den neuen Vorlagen für die nächste Woche. Er beantwortet auch Fragen der Schüler, soweit er dazu in der Lage ist. Andernfalls gibt er die Fragen oder Beschwerden der Schüler an die Zentrale weiter, die notfalls die Lektion über Radio wiederholt oder neu erklärt. Damit ist garantiert, daß das System auch bei ungenügender fachlicher Befähigung des Korrektors noch funktioniert. Für die geleistete Arbeit und für das überreichte Lehrmaterial kassiert der Korrektor vom Schüler eine geringe Summe (in der Dominikanischen Republik 0,25 Dollar, das ist der Preis für etwa 20 Zigaretten). Vom kassierten Betrag muß er zwei Fünftel bei der Zentrale einzahlen, um von dort die neuen Bogen in der nötigen Anzahl zu erhalten. Diese einfache, aber lückenlose Organisation hat sich voll bewährt.

Für die weitere Verbreitung dieses Systems in Lateinamerika wurde mit Absicht Costa Rica ausgewählt. Mehrere Gründe sprachen dafür. Unter den über 15 Jahre alten Staatsbürgern Costa Ricas gibt es zwar nur 14 Prozent Analphabeten, aber nur 28 Prozent haben eine Schulbildung von sechs und mehr Jahren genossen. Da Schulbildung sehr hoch geschätzt wird, ist mit einer großen Zahl von Interessierten zu rechnen. Auch kommt die Schulgesetzgebung allen Bestrebungen zur Erwachsenenbildung entgegen. Auch sind längst schon Transistorradios in allen Bevölkerungsschichten in genügender Anzahl vorhanden. Endlich bietet Costa Rica auch dank seiner politischen und geographischen Lage gute Möglichkeiten für eine Ausdehnung der Radioschule auf andere zentralamerikanische Länder und über den ganzen karibischen Raum, wobei durch Versuche erst erforscht werden muß, wieweit eine zentrale Redaktton den zu gründenden Länderredaktionen durch Sende- und Schulungsmaterial Hilfe bieten kann oder wieweit in anderen Ländern nur selbständige Gründungen in Frage kämen.

Das „Institut zur Förderung der Erwachsenenbildung in Iberoamerika in Vaduz“ erhält außerdem die Hilfe der „Forschungsstelle des Instituts für Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Philosophie in München“ mit dem Sitz in San Jose (Costa Rica), unter seinem dortigen Leiter P. Franz v. Tattenbach SJ, der selbst Mitglied des Vaduzer Instituts ist. Weiters steht für die nächsten zwei Jahre der bisherige Leiter der Radioschule von Santo Domingo, P. Rogelio Pedraz, als Leiter des Instituts in Costa Rica zur Verfügung. P. Pedraz hat das ECCA-System in Santo Domingo eingeführt und dort zu großem Erfolg gebracht. Unter den vielen rein privaten und kommerziellen Sendern Costa Ricas hat sich der Universitätssender von San Jos6 bereit erklärt, Sendezeiten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der Sender wird überall im Lande gut empfangen.

Die finanziellen Beiträge für die ersten vier Monate der Vorbereitung wie auch die technische Ausrüstung hat das Vaduzer Institut aufgebracht. Weitere Hilfen sind in Österreich wie in der BRD von katholischen Laienverbänden, die für die Entwicklung in der Dritten Welt sammeln und arbeiten, in Aussicht gestellt worden. Mit Ende des Jahres 1974 wird sich das Institut in Costa Rica selbst erhalten können.

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