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„Das absolut Schlimmste"

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• Uber seine letzte Äthiopien-Reise:

Ich bin zuletzt im August in Äthiopien gewesen. Damals waren 6,7 Millionen Menschen von ausländischer Lebensmittelhilfe total abhängig. Als ich jetzt im Land war, wurde die Zahl mit neun Millionen angegeben. Ich bin 20 Jahre in dieser Funktion tätig. Was ich jetzt in Äthiopien sehen mußte, war das absolut Schlimmste.

• Uber die Kontrollierbarkeit der Hungersnot:

Wir haben die Situation nur dort in der Hand, wo wir Ausspeisungszentren haben. Äthiopien hat das schwächste Straßennetz ganz Afrikas. Wir sehen jeden Tag die Scharen von Menschen, die nach wochenlangen Märschen in die Versorgungslager, etwa nach Mäkele, kommen. Wir wissen aber nicht, wie viele gar nicht in der Lage sind, eine solche Strapaze zu wagen und wie viele unterwegs liegen bleiben.

• Uber die Hilfsmaßnahmen:

Die Hilfe reicht natürlich nicht aus, um neun Millionen Menschen am Leben zu erhalten. Jetzt wird schon angegeben, daß man pro Monat 60.000 Tonnen Lebensmittel aus dem Ausland einfliegen muß, um das Minimum zu decken. Gerade jetzt sind aber die Häfen leer, und das nächste Getreide kommt erst in einigen Wochen. In Mäkele haben wir ein Lager von 1.000 Tonnen eingerichtet, das aber nicht lange halten wird, weil sich der Ort stetig vergrößert. Jetzt liegen und stehen an die 150.000 Menschen in Mäkele herum, aber genau zählen kann sie niemand. Es werden aber mehr Hilfsgüter eintreffen. Allein für unsere kirchlichen Kanäle hat die

US-Regierung 100.000 Tonnen Lebensmittel zugesagt.

Zugleich brauchen wir aber Geld, um Unterkünfte zu bauen. Denn viele Leute kommen aus den Ebenen auf Nahrungssuche in das Hochland Äthiopiens, wo die Nächte eisig kalt sind und ständig sturmartiger Wind bläst. Die Leute kommen in ausgemergeltem Zustand, als Skelette in unsere Lager und tragen nur ein paar Lumpen.

• Uber die Haltung der äthiopischen Regierung:

Die Regierung tut wirklich viel, vor allem durch ihre ,Jtelief and Rehabilitation Commission". Man muß in Afrika weit laufen, um eine so effiziente Stelle zu finden. Wir von der Caritas haben völlige Freiheit. Wir empfangen, transportieren und verteilen die Güter aus unseren Spenden selbst. Ich habe nicht festgestellt, daß die Regierung Nahrungsmittel zurückhält. Sie ist unheimlich sensibel.Deswegen transportiert sie sehr wenig mit Militärfahrzeugen. Denn sofort geht eine Meldung hinaus, daß die Armee alle Hilfsgüter erhält. Wer kann das sagen? Es gibt keine Anhaltspunkte dafür.

• Uber die zu späte Hilfe:

Es ist leider wahr, daß die große Bewegung erst dann entsteht, wenn Kinder am Bildschirm verhungern. Wir haben schon seit dem Frühjahr 1983 intensiv in Äthiopien gearbeitet. Doch erst der BBC-Film, der in Mäkele gedreht wurde, hat die Welt aufgeweckt. Jetzt sind andauernd Kßmerateams im Land. Mit Recht, denn es gibt meiner Meinung nach keine zweite Katastrophe vergleichbaren Ausmaßes.

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