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Der Kursker Riese

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Seit zehn Jahren bastelt der COMECON-Block an einem gemeinsamen Mammutinvestitionsplan, der zwei Projekte zum Ziel hat: Abbau der enormen Eisenerzvorkommen in der mittelrussischen Kursk-Region und Bau eines Stahlgußkombinats, bestehend aus zahlreichen Haupt-und Nebenbetrieben, mit einer Jah-reskapaziität von 12 Millionen Tonnen.

Außerdem wurden noch zwei andere gemeinsame Großprojekte in den osteuropäischen Planbüros ausgearbeitet:

• ein Zellulosekombinat mit französischer Kapitalbeteiligung in Sibirien und

• ein Äthylen-Pipelinenetz zwischen der UdSSR, der CSSR, der DDR und Ungarn.

Die Eisenerzbergwerke und das Stahlkombinat zu Kursk machten überraschenderweise Schlagzeilen in der westlichen Presse, weil ein westdeutsches Industriekonsortium den Auftrag erhielt, das Hauptwerk gegen russische Barzahlung zu bauen. Das Vorhaben ist dringend und erfordert eine langfristige westdeutsch-sowjetische Kooperation. Es handelt sich im übrigen um das größte Industrieanlageprojekt, das Moskau jemals mit dem Ausland vereinbart hat.

Ende August 1970 vereinbarten Ostdeutschland, Ungarn, Polen und die Sowjetunion, gemeinsam ein Eisenmetallurgie-Kombinat in der UdSSR zu errichten. Mitte November 1970 meldete die CSSR und im Jänner 1972 auch Bulgarien Interesse an. Die ständige COMECON-Kommission „Intermetall“, die Planungsämter der betroffenen Länder und der Exekutiwat des COMECON diskutierten das Kursker Kombinatsprojekt unzählige Male, ohne wesentliche Fortschritte zu erzielen. Planunigshimmelstürmer schwärmten von einem Stahlkombinat mit einer Jahreskapazität von 20 Millionen Tonnen. Schließlich vereinbarten die osteuropäischen Experten, in Kursk eine Hochofenanlage mit einer 400-Tonnen-Schmelzkapazität zu erbauen. Die Einzelheiten, betref fend die Rechte und Pflichten der teilnehmenden Länder, wurden streng geheimgehalten.

Das Eisenerz kommt aus dem Kursk-Belgorod-Gebiet, wo nicht nur eines der größten Eisenerzvorkommen der Welt, mehr als 50 Prozent der bekannten russischen Erzvorkommen, sondern ungefähr 25 Prozent der Welteisenerzreserven hegen sollen.

Mit gutem Beispiel gingen die Bulgaren voran: sie versprachen die Entsendung von jungen Arbeitern. Prag wieder liefert schwere Maschinen und Ausrüstungen; für das Kursk-Kombinat wurde ein Rotorkomplex entworfen und gebaut, der stündlich 5000 cbm Material bewegen kann. Er wurde in der Stolenskoje-Mine montiert und der Probebetrieb wurde mit russischen und tschechoslowakischen Ingenieuren im April 1972 aufgenommen. In derselben Mine sollen Tschechoslowaken zwei weitere Einheiten in Betrieb nehmen, die in der DDR erzeugt worden sind. Die Ostdeutschen müssen Elektrozüge und Kipprollwagen zur Verfügung stellen. Rumänien liefert Leitungen und Stahl-walzprodukte, chemische Erzeugnisse, verschiedene Maschinen und Konsumgüter.

Polen liefert Kokskohle. Andere interessierte Länder springen mit Krediten bei, um die Ausbeutung der Kohlereserven von Belchatow zu beschleunigen.

Die ungarische Hilfe besteht vorläufig darin, daß Budapest sich verpflichtet hat, russische Kredite vorzeitig zurückzubezahlen.

Vor der laufenden 4. Fünfjahresplan-Periode wurden in Osteuropa die sowjetischen Eisenerzpreise reduziert.

Wenn Kursk seine volle Leistungsfähigkeit erreicht hat, wird Sowjeteuropa Eisenerz aus nicht-kommunistischen Ländern kaum mehr benötigen. Das Eisenerz aus Brasilien, Nordafrika und Indien wird seine heutige Bedeutung für COMECON-Europa immer mehr verlieren.

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