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Der Staat im Dorf?

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Hatte der Entwicklungsansatz einer Modernisierungstheorie in den fünfziger und sechziger Jahren — das bedeutet eine Übertragung von Organisationsstrukturen der Produktion und Verwaltung aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer — in vielen dieser Länder eine gleichbleibende oder sogar zunehmende Armut gebracht, so ist seit einigen Jahren ein Entwicklungsansatz in den Vordergrund getreten, der durch Hilfe zur Selbsthilfe abzielt.

Man erblickt in Genossenschaften, durch Förderung der Selbsthilfebereitschaft bei noch subsistenzwirt-schaf tlich orientierten Kleinbauern, Handwerkern und Händlern, Chancen, Anreize für einen produktiveren Einsatz ihrer eigenen und Zugang zu zusätzlichen Ressourcen zu bieten. Und das unter den Voraussetzungen einer Dezentralisierung von Planungs- und Entscheidungsphasen, des Rückgriffs auf originäre kulturelle Voraussetzungen und der aktiven Partizipation der Betroffenen. Dabei entstehen aber erhebliche Probleme:

• es fehlt bei den Mitgliederbetrieben die betriebliche Genossenschaftsfähigkeit,

• die Mitglieder stammen aus verschiedenen traditionellen Sozialstrukturen,

• es fehlen die bildungsmäßigen Mindestvoraussetzungen.

Es werden daher externe Hilfen als notwendig erachtet im Rahmen von staatlichen, halbstaatlichen oder staatlich kontrollierten Organisationen. Schwierigkeiten zeigen sich sowohl bei der administrativ-bürokratischen Realisierung leistungsfähiger Genossenschaften als auch bei der Einschaltung dieser Genossenschaften in Maßnahmen und Programme zur landwirtschaftlichen Entwicklung, denn

• Genossenschaften werden nicht als Ziele, sondern als Mittel staatlicher Entwicklungspolitik betrachtet;

• unrealistisch hohe Erwartungen der potentiellen Mitglieder werden geweckt, und die Selbsthilfebereitschaft wird durch demotivierende Fremdhilfe zu faktischem Zwang zur Mitgliedschaft (pädagogischer Zwang);

• die staatlichen Entwicklungsinstitutionen benützen die Genossenschaften als ihre Agenturen auf Dorfebene;

• die Einmischung der Entwicklungsverwaltung in die Selbsthilfeförderung führt in vielen Fällen zur bürokratischen Erstarrung der Genossenschaften.

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