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Der Widerstand regt sich

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Vor zwölf Jahren hat der Oberste Gerichtshof der USA die Abtreibung bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat freigegeben. Die Begründung: Bis dahin sei das Kind nicht allein lebensfähig.

Diese Entscheidung, die ohnehin schon genug Konfliktstoff in sich birgt, wird von Jahr zu Jahr problematischer. Denn die wissenschaftliche Entwicklung ist in den letzten Jahren so weit vorangeschritten, daß sogar Kinder, die drei bis vier Wochen vor diesem Zeitpunkt geboren werden, Uber-lebensschancen haben. Das heißt: Es werden Kinder, die heute sogar außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wären, durch Abtreibung getötet. In diesem Spätstadium werden nämlich jährlich in den USA 13.000 Abtreibungen durchgeführt.

Die massive Antwort darauf ist eine immer breiter werdende ProLife-Bewegung, deren äußerste Flügel richtiggehend terroristisch agieren: Allein am Weihnachtsmorgen 1984 wurden drei Abtreibungskliniken in die Luft gesprengt, in der Silvesternacht folgte eine jveitere. Im ganzen Jahr 1984 wurden insgesamt 24 Abtreibungsstätten durch Bomben zerstört.

Die Hälfte dieser Anschläge, bei denen nie jemand verletzt wurde, ist bereits geklärt. Obwohl einerseits die Urteile - mit 20 bis 30 Jahren Gefängnisstrafe — äußerst streng ausfielen und andererseits diese Gewalttaten von allen ProLife-Bewegungen, von Präsident Ronald Reagan wie auch von der Katholischen Kirche des Landes scharf verurteilt worden sind, ist ein Ende der Bomben-Serie nicht abzusehen.

Die Gewalttaten erregten wochenlang die Gemüter der öf fentlichkeit. Was dabei herausgekommen ist: Es explodieren nicht nur Abtreibungskliniken — es explodiert die ganze „Lebensbewegung”! Denn die immer noch relativ geringe Zahl der radikalen Vertreter verweist eindeutig auf die umso größere der gemäßigten „Lebenskämpfer”.

Da gibt es die rasch wachsende Frauenorganisation „WEBA” (Women exploited by abortion), eine Vereinigung von Frauen, die zu einer Abtreibung gedrängt worden sind und nun andere Frauen vor ihren negativen Erfahrungen bewahren möchten.

Von Beratungsstellen wie „Alternatives to Abortion” oder der von der Katholischen Kirche geführten „Respect Life”-Hilfeor-ganisation reicht das vielfältige Spektrum bis zu Privatinitiativen wie der „Pro-Life Action Lea-gue”. Ihr Gründer Joseph Scheidler ist Verfasser des Buches „Closed. 99 Ways to Shut down the Abortion Iridustry”, einer 400-seitigen Anweisung, wie man Abtreibungskliniken sperren lassen kann.

Was die amerikanische von anderen Pro-Life-Bewegungen unterscheidet: Während man sich hierzulande eher um Aufklärung und Bewußtseinsbildung bemüht, scheint man in den USA verstärkt „an der Front”, auf der Straße -vor allem vor Abtreibungskliniken - zu agieren. Bei „side-walk counsellings” versucht man Frauen, die eine Abtreibungsklinik betreten möchten, sozusagen in letzter Minute von ihrem Entschluß abzubringen.

Unermüdlich demonstrierende Menschen gehören mittlerweile zum täglichen Bild vor Abtreibungskliniken ...

Die Mehrheitsverhältnisse haben sich in den letzten Jahren eindeutig zugunsten einer Änderung der derzeitigen Abtreibungspraxis verschoben. Laut einer Umfrage des Magazins „Newsweek” vom Jänner 1985 würden 58 Prozent der Amerikaner einer Gesetzesänderung zustimmen, die Abtreibungen nur mehr bei Vergewaltigung, Inzest oder bei Gefahr für das Leben der Mutter zuläßt. Der Protest wird immer lauter, der Protesttag, der 22. Jänner, findet jedes Jahr mehr Unterstützung.

Die Autorin ist Studentin in Wien und Mitarbeiterin der „Aktion Leben”.

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