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Die Frauen als „Halbaffen”

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In den Kammerspielen wurde damit begonnen, an Montagabenden Aufführungen „Aus der Reihe” darzubieten. Auch die Bezeichnung „unruhiger Montag” gibt es dafür. Ein äußerst erfreulicher Neuansatz! Als erstes Stück sah man „Die Nacht der Tribaden” von dem 43jährigen schwedischen Romanschriftsteller Per Olof Enquist. Es führt die erste Ehe von Strindberg mit Siri von Essen, aus der es drei Kinder gab, in der übersteigert haßerfüllten Endsituation vor. Strindberg zeiht seine Frau lesbischer Beziehungen.

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In den Kammerspielen wurde damit begonnen, an Montagabenden Aufführungen „Aus der Reihe” darzubieten. Auch die Bezeichnung „unruhiger Montag” gibt es dafür. Ein äußerst erfreulicher Neuansatz! Als erstes Stück sah man „Die Nacht der Tribaden” von dem 43jährigen schwedischen Romanschriftsteller Per Olof Enquist. Es führt die erste Ehe von Strindberg mit Siri von Essen, aus der es drei Kinder gab, in der übersteigert haßerfüllten Endsituation vor. Strindberg zeiht seine Frau lesbischer Beziehungen.

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Das geht auf einen seiner autobiographischen Romane zurück, auf „Die Beichte eines Toren”, in dem er Siri lesbischer Neigungen beschuldigt. Nun ist dies eine gekürzte Fassung, das Originalmanuskript „Plädoyer eines Irren” befand sich im Besitz des Malers Edvard Much, wurde aber erst 1973 bekannt. Hier sind die Beziehungen ungleich krasser dargestellt, der Haß auf die „Halbaffen”, die „Herde von Schädlingen”, die Frauen, lodert da hell auf. Wie es sich mit Siri, die vorher mit einem Baron Wrangel verheiratet war, von dem sie ein Kind besaß, tatsächlich verhielt? Karl Jaspers meint in seinem Buch „Strindberg und Van Gogh”, auf Grund der Aufzeichnungen sei es wahrscheinlich, daß sie gleichgeschlechtliche Neigungen hatte.

Das Stück von Enquist, das Strindberg und Siri, sowie das Wiederaufflammen von Siris Liebe zu der Dänin Marie David darstellt, bezeichnet Strindbergs Enkelin Karin Smirnoff- Strindberg als widerlich und gänzlich unwahr. Es spielt nachts auf der Bühne eines Kopenhagener Theaters,

Strindberg hatte eine Neugründung dieses Theaters versucht, wobei er Siri, die ehemalige Schauspielerin, als Directrice einsetzte. Wir sehen ausschließlich eine Probe von Strindbergs Einakter „Die Stärkere”, die dauernd durch die vehementen Haßausbrüche Strindbergs unterbrochen wird, weil er überrascht ist - eine fiktive Begegnung -, Marie David hier anzutreffen.

Frau Smirnoff-Strindberg erklärt, es sei falsch, Strindberg als brüllenden, brutalen Mann darzustellen, er sprach leise. In dem Buch „Augenzeugen Strindbergs” von Stella Ahström wird er als mißtrauisch, empfindlich bezeichnet, war er aber betrunken, heißt es da, skandalierte er, einmal fing er an, auf das Interieur eines Restaurants zu schießen. Durch die Anwesenheit der Marie David steigert sich bei dieser Probe Strindbergs Eifersuchtswahn zu Haßorgien gegen das weibliche Geschlecht, das er gänzlicher Inferiorität zeiht. Ursache dieser Übersteigerung: Sein maßloses

Selbstgeführl ist verletzt, er sieht sich in seiner Rolle als Mann, als Herrscher,

durch die lesbische Beziehung seiner Frau entthront.

Gesetzt, jemand weiß nicht, wer Strindberg war, hat nichts von ihm gelesen, kann den das Stück packen? In nichts wirkt dieser Enquistsche Strindberg als geistige Persönlichkeit, wir erhalten nur einen in sich verbohrten Tobenden vorgesetzt.

Das Bühnenbild - Wolfgang Müller-Karbach - zeigt eine voll angeräumte Bühne mit einem Stapel Bierfässer, sie dient auch als Magazin. Entgegen einer Inszenierung dieses Stücks ä la Tschechow in München, läßt Regisseur Michael Verhoeven die Haßorgien voll ausspielen, dieser Strindberg klettert in seiner Raserei auf den Bierfässerstapel. Ihn spielt Harald Harth mit überzeugender Verbohrtheit. Persönlichkeitsausstrahlung vermag er von sich aus nicht zu bieten. Ursula Schult bleibt als Siri zu sehr sie selbst, mit negativen Akzenten. Durch ruhige Überlegenheit wirkt Elisabeth Danihelka als stets biertrinkende Marie David. Zäsuren des Dialogs füllt ein gutmütiger Schauspieler mit vorsichtigen Stellungnahmen, ihn stellt Michael Toost glaubhaft dar. Otto Ambros in einer winzigen Rolle und die Kostümbildnerin Hill Reihs-Gromes sind zu erwähnen.

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