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Die Intellektuellen

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Acht Intellektuelle schreiben in diesem Sammelband über sich selbst beziehungsweise ihre „Kollegen": die Intellektuellen. In den acht Essays wird versucht, „aus verschiedenen Blickrichtungen heraus die Ursachen und Folgen des spannungsreichen Verhältnisses von Politik und Intellektuellen zu untersuchen", so Herausgeber Wolfgang Bergsdorf in seiner Einleitung.

Hervorzuheben sind vor allem zwei Aufsätze: Jose Ortega y Gassets Beitrag „Der Intellektuelle und der Andere" und Gölo Manns Analyse der Rolle der Intellektuellen in der Weimarer Republik.

Der Intellektuelle, wie ihn Ortega y Gasset sieht: ein Analytiker, der die Dinge von innen beschaut, ihre Kehrseite sucht, aus vermeintlichen Dingen ein Problem macht.

Aber er ist nicht der Zerstörer, der „Metzger", als der er auf den ersten Blick scheint: „Das Gegenteil ist der Fall. Der Intellektuelle kann nicht, auch wenn er wollte, im Hinblick auf die Dinge Egoist sein. Er macht aus ihnen ein Problem. Und das ist das höchste Kennzeichen von Liebe."

Im Gegensatz dazu der Andere: ein „geborener Egoist", der jegliches Anzweifeln seiner Umgebung ausschließt.

Die beiden — der Intellektuelle und der Andere, der eigentlich für die Masse steht — müssen zwangsläufig aneinandergeraten. Der spanische Philosoph sieht dabei die Gefahr einer Entthronung der Intellektuellen, vor allem darum, weil der „falsche Intellektuelle, der ja nur der Andere ist", die Masse insgesamt sich anschickt, die geschichtlichen Zügel zu ergreifen.

Daß es zu dieser bedrohlichen Situation kam, dafür tragen die Intellektuellen nach Ortega y Gasset selbst Schuld: „Sie hatten den verhängnisvollen Irrtum begangen, eine Kultur für sich selbst zu schaffen und nicht für die übrigen Menschen."

Verhängnisvolle Irrtümer begingen gerade auch die Intellektuellen der Weimarer Republik, wie Golo in seinem Beitrag so bestechend analysiert. Statt die Demokraten im Kampf gegen ihre vielen Feinde zu stützen, lieferten viele von ihnen den Antidemokra-ten die geistige Munition, um die Republik sturmreif zu schießen.

Golo Mann zählt sie alle auf, die dieses üble Spiel mitspielten, geht dabei auch mit seinem Onkel Heinrich und seinem Vater Thomas Mann kritisch ins Gericht.

Was die Beiträge Kurt Sontheimers (Gefangene der Theorie), Seymour Lipsets (Das Intellektuelle Grundprinzip) und Johannes Thomas' (Der Unterschied: Intellektuelle in Deutschland und Frankreich) anlangt, beleuchten diese allesamt überaus interessante Aspekte der Beziehung zwischen Geist und Macht. Insbesondere lesenswert ist hier Sontheimers Abrechnung mit der „linken Theorie" und deren Vertretern.

Interessante Aspekte finden sich freilich auch in den restlichen Aufsätzen: Wolfgang Bergsdorf über „Intellektuelle und Politik in der Bundesrepublik"; Helmut Schelsky über die „Intellektuellen als neuer Klerus"; Raymond Aron über „den guten Umgang mit Ideologien". Nur wird man bei der Lektüre dieser Essays unwillkürlich an Ortega y Gassets Vorwurf erinnert, die modernen Intellektuellen hätten eine eigene „Kultur der Ideen" geschaffen.

Denn diese „Kultur der Ideen" ist wohl vor allem auch dadurch entstanden, weil die Intellektuellen eine eigene — für die Masse unverständliche — Sprache entwik-kelten, mit deren Hilfe sie dann ihre Ideenwelt nach außen hin abschirmen. Bei deutschen Denkern ist dieser Hang zu einer „intellektuellen Hochsprache" besonders ausgeprägt.

DIE INTELLEKTUELLEN. Geist und Macht Hrsg. von Wolfgang Bergsdorf. Nes-ke- Verlag. Pfullingen 1982.184 Seiten. Ln„ öS 212.80

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