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„Die KPÖ ist das Gegenteil des Antikapitalismus“

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Auch Gruppen der „Neuen Linken“ machen sich Gedanken über den Wahlgang vom 10. Oktober. So bringt die ausgezeichnet redigierte und von Dissidenten der KPÖ (Chefredakteur ist das ehemalige ZK-Mitglied der KPÖ, Franz Marek) herausgegebene Zeitschrift „Wiener Tagebuch“ eine redaktionelle Meinung zur tristen und zersplitterten Front der extremen Linken in Österreich:

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Auch Gruppen der „Neuen Linken“ machen sich Gedanken über den Wahlgang vom 10. Oktober. So bringt die ausgezeichnet redigierte und von Dissidenten der KPÖ (Chefredakteur ist das ehemalige ZK-Mitglied der KPÖ, Franz Marek) herausgegebene Zeitschrift „Wiener Tagebuch“ eine redaktionelle Meinung zur tristen und zersplitterten Front der extremen Linken in Österreich:

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„Es gibt Tendenzen, die KPÖ aus der linken Bewegung zu exkommunizieren. Wenn man auch Teile der Theorie und die gesamte Taktik der KPÖ für falsch und ihr Auftreten für wirkungslos und in mancher Beziehung sogar für schädlich hält, so kann man doch nicht über die Tatsache hinwegsehen, daß die KPÖ —

wenn auch auf eine unfähige und verschrobene Art — eine antikapitalistische Partei ist. Sie ist eine der linken Kräfte, ausgestattet mit allen Schwächen, die linke Gruppierungen heute in Österreich aufweisen — mit einem verzerrten Programm und einer Taktik, die an die einer disziplinierten Armee mit Vorderladern erinnert. Auch dann, wenn man ihre schauerliche Einstellung zu anderen Linkskräften außer acht läßt, ist sie gewiß keine ideale Partei. Aber da es diese ideale Partei oder Liste nicht gibt, bleibt unter den gegebenen Umständen nur die Möglichkeit,, für jene Liste zu stimmen, die Linken immerhin noch am nächsten steht.

Bleibt die Frage, ob dies auf die KPÖ zutrifft. Wären wir in der ČSSR, könnte man die Frage verneinen. Da wir aber in einem kapitalistischen Staat leben, ist es notwendig, sich vor allem den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man den antikapitalistischen Protest am besten zum Ausdruck bringen kann. Leider bietet sich in Österreich nur die KPÖ als Sammelbecken für Proteststimmen an.

Man könnte sich vorstellen, daß auch eine kommunistische Partei vom Typ der KPÖ sich wenigstens vor Wahlen an die existierenden linken Gruppen wendet, um ihnen vorzuschlagen, in der gegebenen Situation — unabhängig von allen sonstigen Meinungsverschiedenheiten — für die einzige kandidierende Linkspartei zu stimmen. Aber die KPÖ ist auch in dieser Hinsicht ein Unikum: Nicht nur, daß sie sich nach wie vor als „einzige linke Kraft“

bezeichnet, die es in Österreich gibt, hat sie gegenüber den linken Gruppen jene Idiomatik übernommen, die die SPÖ die längste Zeit gegenüber der KPÖ verwendete. Die Art, wie sie Stellung nimmt, ist die Übertragung der Eisenstädter Erklärung der SPÖ gegen die KPÖ von der KPÖ auf andere Gruppierungen. Diese Sprache wird nicht nur gegenüber Leuten verwendet, die einmal mit der KPÖ zu tun hatten, sondern auch gegen alle anderen, etwa gegen „Spartakus“ oder Günther Nenning. Wofür ist sie eigentlich? Sie ist sür das Monopol innerhalb der Linken. Wer sich ihr nicht unterwirft, wird von ihr auch in Wahlzeiten mit den Methoden des Antikommunismus bekämpft.

Die Existenz der KPÖ ist eines der größten Erschwernisse einer wirklich selbständigen sozialistischen Entwicklung in Österreich. Die Wahl der KPÖ ist deshalb das genaue Gegenteil einer antikapitalistischen Haltung. Das wissen auch die anderen Parteien.“

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