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Das Leichentuch der KPÖ

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Zwischen 28. und 31. Mai geht in Wien der 21. Parteitag der KPÖ über die Bühne. Die Vorzeichen für das österreichische kommunistische Gipfeltreffen sind alles andere als gut: die letzten Wahlergebnisse waren ein schlagender Beweis für die altersschwache Konstitution der KPÖ. In dieser Situation hat nun das Zentralkomitee in seiner Sitzung vom 8. April eine Diskussionsgrundlage über „die politische Lage Österreichs und die Aufgaben der Partei“ beschlossen und in der vergangenen Woche zur Diskussion für die Parteiöffentlichkeit freigegeben.

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Zwischen 28. und 31. Mai geht in Wien der 21. Parteitag der KPÖ über die Bühne. Die Vorzeichen für das österreichische kommunistische Gipfeltreffen sind alles andere als gut: die letzten Wahlergebnisse waren ein schlagender Beweis für die altersschwache Konstitution der KPÖ. In dieser Situation hat nun das Zentralkomitee in seiner Sitzung vom 8. April eine Diskussionsgrundlage über „die politische Lage Österreichs und die Aufgaben der Partei“ beschlossen und in der vergangenen Woche zur Diskussion für die Parteiöffentlichkeit freigegeben.

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Wohl hofft KP-Vorsitzender Franz Muhri, daß „damit eine entscheidende Voraussetzung zur Überwindung der Krise unserer Partei geschaffen werden kann“, überzeugt ist er anscheinend jedoch selbst nicht davon. Das Diskussionspapier scheint eher ein Leichentuch zu sein, um — gut österreichisch gesagt — in kommunistischer Aufopferung eine „schöne Leich“ zu bekommen. Denn damit ist die KPÖ — die übrigens älter als die Republik Österreich ist — am Ende. Bereits 1964 zeichnete sich — nachdem man 1959 Abschied vom Parlament genommen hatte — die Zersplitterung ab: der ehemalige Parteichronist Franz Strobel gründete die MLÖ (Marxisten und Leninisten Österreichs). Die eigentliche Selbst-zerfleischung brachte jedoch erst der 20. Parteitag am 3. Jänner 1969. Im Mittelpunkt der Beratungen standen damals jene Männer, die sich gegen die Besetzung der CSSR durch sowjetische Truppen exponiert hatten. Allen voran bezeichnete Ernst Fischer die Moskauer Intervention als „Verbrechen gegen den Sozialismus“ und wurde deshalb von den Moskau-Epigonen Österreichs als „kleinbürgerlich“ verurteilt. Man warf ihm sogar vor, die KPÖ „verseucht“ zu haben.

Die Öffentlichkeit reagierte auf die Spaltung der KP entsprechend und urteilte bei den Wahlen hart: 46.000 Stimmen, knapp 1 Prozent. Auch am 21. Parteitag wird man im Sitzungssaal fast ausschließlich graue und weiße Häupter sehen, denn weit über die Hälfte der eingeschriebenen 30.000 Parteimitglieder sind Pensionisten. Nach dem politischen Tod droht nun auch noch der organisatorische.

Der nun vorliegende ZK-Diskus-isicnsentwurf macht aus der Situation kein Hehl: Man spricht von einem „ernsten Rückgang unseres politischen Einflusses“ nach den letzten Nationalratswahlen und bekennt, daß „es nicht gelungen ist, die Einheit der Partei wiederherzustellen“; im Gegenteil: „Die Krise der Partei hat sich noch wesentlich verschärft.“ Trost findet man nur darin, daß auch Erfolge „der reaktionären, deutschnationalen FPÖ“, Olahs und der NDP ausgeblieben sind. „Wir Kommunisten werden... die Aufgabe haben“, heißt es, „als selbständige Kraft die Forderungen und Interessen der arbeitenden Menschen zu vertreten ... und ihr politisches Bewußtsein im Kampf um diese Forderungen zu entwickeln“. Die Ziele im einzelnen offenbaren allerdings eine verblüffende Wirklichkeit: Manche Textpassagen scheinen nahezu wörtlich aus SPÖ- und ÖGB-Stellungnahmen übernommen und nur da und dort verbrämt worden zu sein. Das alles deutet darauf hin, daß das Bekenntnis zur „selbständigen Kraft“ nur noch eine Leerformel darstellt, ansonsten fühlt man sich der „großen sozialistischen Bewegung“ verpflichtet. „Die Stärkung der gegenwärtigen SP“ als „einzige Alternative zur ÖVP“ wird vom ZK zwar nicht begrüßt, man wehrt sich aber auch nicht dagegen. Ab Juni soll auch in der KPÖ nicht mehr über die Entwicklung in der CSSR diskutiert werden, damit die KPÖ „ihre ganze Kraft auf die Lösung ihrer eigenen Aufgaben konzentrieren“ kann. Diese „eigenen Aufgaben“ sind die „Wiederherstellung der Einheit“, die nur auf Basis der ideologischen Grundsätze der in den „Programmatischen Leitsätzen“, in den „Thesen über Perspektiven“ des 19. Parteitages und der Resolution des 20. Parteitages erreicht werden kann.

Aus diesen ZK-Worten spricht bereits die Resignation: Nicht eine Neuorientierung soll vorgenommen werden, sondern die Vergangenheit muß neu aufleben. Auf dieser Basis hat sich aber schon in der letzten Zeit kein Ausweg mehr gezeigt. „Jeder Kommunist hat das Recht, auch eine abweichende Meinung beizubehalten, ja sie bei gegebenem Anlaß auch in seiner Organisation wieder aufzurollen“, heißt es wörtlich im Diskussionsenitwurf des 21. Parteitages. Der Ruf nach Einigkeit und der Aufruf nach einer solchen Privatinitiative sind aber ein Widerspruch, aus dem sich der KP-Zerfall nur weiter nährt.

Noch am 1. Mai wird die einstige Avantgarde des Proletariats über den Ring marschieren, und die Lenin-Feiern werden mit bescheidenstem Pomp stattfinden; doch das „Leichentuch“ ist bereits vorbereitet. Selbst wenn die innenpolitischen Ereignisse der nächsten Tage viel Neues und Interessantes bringen werden, sollte man nicht versäumen, der letzten Runde in der KPÖ Aufmerksamkeit zu schenken.

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