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Das Ende der KPÖ

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Der Ausschluß Ernst Fischers, des .großen alten Mannes der KPÖ“, durch die Schiedskommission der KP hat seinen Tribut gefordert: Die progressiven Linksintellektuellen haben jetzt der politischen und ideologischen Auseinandersetzung in dieser Partei ein Ende gemacht. Einerseits Austritte, die damit erklärt werden, daß „von einer Erneuerung der KPÖ keine Rede sein könne“, und auf der anderen Seite der lautlose und weniger spektakuläre Protest, der sich Fischers Intentionen anschließt, die dahin zielen, an Stelle der KPÖ eine Koalition von linken Kräften zu bilden.

Auch wenn erst, wie Parteivorsitzen- der Muhri versicherte, auf der nächsten Plenartagung des Zentralkomitees am 27. und 28. Oktober die Entscheidung der Schiedskommission endgültig diskutiert werden soll, so haben doch bereits die Oktoberwahlen in Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg eine „Vorentscheidung“ getroffen, auf die das ZK kaum mehr Einfluß nehmen kann.

Muhri, der der Ansicht ist, daß „die KPÖ eine selbständige autonome Kraft bleiben soll“ wurde durch seine Genossen in der Wählerschaft eines besseren belehrt und mußte sich damit eigentlich Fischers Ruf nach einer Koalition der „Linken“ geschlagen geben. Am 19. Oktober wurde die, wie sie Bundeskanzler Klaus sofort nach dem Bekanntwerden der Wahlergebnisse unter Protest von SPÖ-Parteivorsitzenden Dr. Kreisky nannte, „vereinte Linke“ kreiert. Die wahlwerbende KPÖ

sank mit ihrem Stimmenanteil unter die Grenze der Bedeutungslosigkeit und braucht nunmehr keine Absplitterung mehr zu befürchten. Die prozentuellen Verluste dürften der KPÖ auch in den kommenden Wahlgängen, vor allem aber bei der Na- tiohalratswahl am 1. März 1970, treu bleiben. Mit einem Stimmenanteil,

der sich mit Mühe im Jahre 1970 um eineinhalb Prozent herum bewegen wird, ist die KPÖ eine nicht mehr ernstzunehmende politische Kraft. Das, was abgesplittert ist, hat, abgesehen von den kaum ernstzunehmenden extrem linken Gruppen, mit größter Wahrscheinlichkeit in das

Lager der großen Sozialistischen Partei Eingang gefunden Damit ist die Koalition der Linken vollendet, ohne daß es wie bei den Nationalratswahlen 1966 zu einer „Volks-

front“ kommen muß. Nun wird es aber Muhri auch nichts mähr nützen, „die dogmatische Erstarrung aus der Zeit des Stalin-Kults zu überwinden“.

Ernst Fischer hat damit durch seinen Ausschluß aus der KPÖ das zustande gebracht, worum er sich als deren Mitglied bemühte. Und Dr. Nenning hatte recht, wenn er anläßlich des siebzigsten Geburtstages Fischers schrieb: Er ist „Kommunist und doch nicht Kommunist, denn Moskau hat ihn ja schließlich verdammt“. Dieses Verhältnis zu Moskau war auch der Grund der politischen und ideologischen Auseinandersetzung innerhalb der KPÖ. „Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß die gewaltlose demokratische Revolution in der Tschechoslowakei die größte Chance des europäischen Sozialismus war. Diese Chance wurde am 21. August 1968 zertreten und verschüttet“, war Fischers Auffassung zur gewaltsamen Unterwerfung der CSSR durch die Truppen des Warschauer-Paktes. Er hatte damit erkannt, daß sich der herrschende Kommunismus und Menschlichkeit wie Feuer und Wasser vertragen und sein Ausschluß war die Antwort auf eine geistige Herausforderung, der die KPÖ nichts gleichwertiges entgegenzusetzen hatte.

„Zurück zu den alten Grundsätzen“

Ja sogar in diesem Fall mußte Moskau den österreichischen Genossen unter die Arme greifen. Die Moskauer „Prawda“ attackierte Fischer als „Spalter“ und bezeichnete ihn überdies als Helfershelfer der imperialistischen Propaganda. Die antisowjetischen Appelle, schreibt das

Blatt weiter, die den reaktionären Kreisen besondere Freude bereiteten, seien keineswegs neu. Diese Appelle gaben diejenigen aus, die eine intensive Wühlarbeit zur Spaltung der kommunistischen Weltbewegung betrieben. Fischers Haltung illustrierte anschaulich, daß bei scharfen Kurven der Geschichte besonders klar und deutlich wird, wer dem Sozialismus wirklich ergaben ist. Trotz dieser heftigen Angriffe Moskaus gegen Fischer gelang es nicht, der KPÖ aus der Bedrängnis zu helfen.

Das „Zurück zu den alten Grundsätzen“ des konservativen Flügels der österreichischen Kommunisten hat die Krisensituation nicht bereinigt, sondern im Gegenteil verschärft. Und was für Fischer keine Frage war, nämlich die zeitgemäße Anwendung der kommunistischen Grundsätze, wurde für die KPÖ die Hürde, die sie zu nehmen nicht imstande ist. Denn über das, was Dogma ist und was nicht, ist auch bei der Moskauer Schützenhilfe gegen Fischer keine Klarheit.

Dazu kommt noch, daß die KPÖ nicht nur eine ideologische und politische Prüfung mangels geistiger Kapazität der konservativen Kreise nicht zu bestehen imstande war, sondern, daß auch das Überleben auf dem organisatorischen Bereich zu einem Alpdruck wurde. Deshalb ist diese KPÖ, die zwar schon immer klein war, in die beklemmende Situation geraten, die heute für sie zur Frage des politischen Überlebens geworden ist.

Muhri, der an die Unentbehrlichkeit seiner KPÖ glaubt, hat auch auf den letzten Parteitagen der Kommunisten keinen Ausweg aus dieser Situation gefunden. Die eigenen Be mühungen waren ebenso erfolglos wie die Anlehnung an Moskau. Und wieder ist es Fischer, der noch zu retten versuchte, was zu retten war: „Jüngere Genossen werden wirksamer sprechen können, als ich es könnte. Ich bin dafür, daß wir Alten abtreten. Alle, ohne Ausnahme! Diejenigen, die behaupten, unentbehrlich zu sein, überschätzen sich selbst und werden zum Hemmnis der Entwicklung. Unentbehrlich sind nicht sie, sondern die jungen Arbeiter und Intellektuellen.“

Sich über diese Erkenntnis hinwegzusetzen, hat für die KPÖ nichts Erfreuliches gebracht. Die Schiedskommission hat klargestellt, wer in der kleinen Partei unentbehrlich ist und wer nicht: entbehrlich ist die KPÖ als autonome politische Kraft in Österreich. Alle jene, die den Ausschluß Fischers als eine Eleminie- rung der progressiven Ideen angesehen haben, sind bereits am 19. Oktober ihren Weg gegangen. Und die „unverbesserlichen“ Mos- kaugetreuen haben sich damit selbst den größten Schaden zugefügt. Fischer persönlich mag schwer daran tragen, daß er in seinen alten Tagen von denen ausgestoßen wird, denen er einmal so eifrig gedient hat, noch schwerer aber wird es letzten Endes Muhri treffen: Für ihn ist es unmöglich, wieder jene Wähler zu gewinnen, die er an die „vereinigte Linke" verloren hat. Es bleibt ihm nur mehr der Kampf mit der noch unbedeutenderen Linksgruppe neben der KPÖ, nämlich der Marxistisch-Leninistischen Partei Österreichs, um nicht noch mehr Unzufriedene aus seinem Lager zu verlieren. Denn eines hat er nun erreicht: die Linke ist vereint, wenn auch nicht nach seinen Vorstellungen.

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