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Salz in der Suppe

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Schon vor Wochen präsentierte der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs, Franz Muhri, die Zielvorstellungen seiner Partei für den 5. Oktober. Erstens wolle die KPÖ nach bald 16jähriger Absenz wiederum im Nationalrat vertreten sein, zweitens aber gehe es der KPÖ darum, das Bewußtsein der arbeitenden Bevölkerung in Österreich für ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage zu ändern, es im

Geiste der marxistisch-leninistischen Lehre z:u indoktrinieren.

Die Chancen der KPÖ, am 5. Oktober ein Grunrknandat und — wenn dies gelingt — dann auch noch ein Reststimmenmandat zu erringen, sind nach der Papierform denkbar schlecht. Ihre Bastionen in Wien, rund um Wiener Neustadt und im steirischen Industriegebiet sind stark abgebröckelt; in einigen Bundesländern — zuletzt in Tirol — erreichte sie eine geringfügige Erhöhung ihres Wählerstandes. In den Landtagen Österreichs sitzt heute kein Kommunist mehr, selbst in den Gemeindestuben der großen Städte unseres Landes trfft man sie kaum noch an. Parteivorsitzender Muhri hat mit Friedrich Peter zwei Dinge gemein; beide sind erfolglos und beide sind Langzeit-Parteivorsitzende. Dennoch ist Muhris Position auch nach einer erneuten schweren Wahlniederlage (anders als die von Friedrich Peter) kaum gefährdet. Er genießt das Vertrauen Moskaus und der Moskautreuen in der Partei, das reicht zum politischen Überleben bis zum Eintritt in die Pension.

In den letzten beiden Jahren will man in der KPÖ einen Zuzug junger Menschen, vor allem von Künstlern, Intellektuellen und auch Studenten bemerkt haben. Voll Freude weist die „Volksstimme“ nun schon bald täglich darauf hin, daß die beiden Schriftsteller Lutz Holzinger und Michael Scharang Genossen sind; ..Stars“, die zur KPÖ etwa so gut passen, wie ein Endzwanziger in einen Pensionistenklub.

Noch vor fünf Jahren, als die SPÖ die Regierungsgeschäfte übernahm, hoffte man in der KPÖ, künftighin so etwas wie eine Regierungsopposition der arbeitenden Menschen in der Innenpolitik, spielen zu können. Man rechnete mit einem starken Zustrom der von der sozialistischen Partei enttäuschten Arbeiter insbesondere bei Betriebsratswahlen. Aus diesem Grunde fühlte man sich in der KPÖ berechtigt, harte Kritik an der SPÖ Kreiskys üben zu müssen.

In der KPÖ begannen heftige Diskussionen darüber, ob es denn einen Sinn habe, gegen die sozialistische Regierung Kreiskys zu polemisieren und damit möglicherweise noch dem Klassenfeind, also der Volkspartei, in die Hände zu arbeiten. In den Betrieben mußten sich kommunistische Funktionäre von sozialistischen Gegenspielern Vorwürfe in dieser Richtung gefallen lassen. Diese Diskussionen sind noch immer nicht ganz beendet, wenngleich sich zeigt, daß sich im KP-Zentralorgan „Volks-stimme“ heute die Kritik an der Regierungspartei zunehmend zur Kritik am „kapitalistischen System“ und an der „unheilvollen Sozialpartnerschaft“ verlagert hat. Dennoch werden in KP-Publikationen gerne schwarzmalerische Presseaussendungen des ÖVP-Artbeiter- und Angestelltenbundes ohne Quellennachweis rezitiert.

Allen widrigen Umständen zum Trotz, setzt die Kommunistische Partei gewisse Hoffnungen in die Erin-gung eines Grundmandats im Wahlkreis Wien, wo ihr Wählerpotential vor allem in den Arbeiter- und Industriebezirken Floridsdorf, Favoriten, Leopoldstadt und Brigittenau versammelt ist. Zaihlenstratege Professor Gerhard Bruckmann hält diese Hoffnungen für nicht ganz unberechtigt. Die drastische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Österreich könnte für manche Be-siedler linker Zonen in der Sozialistischen Partei tatsächlich Anlaß zu einem Versuch mit der KPÖ sein. Ein eher kleiner Teil in der SPÖ

scheint, wie das auch einzelne Betriebsratswahlergebnisse signalisieren, durchaus bereit zu sein, der SPÖ einen »Denkzettel zu verpassen. Für diese schmale Gruppe, die in Wien durchaus ein Mandat ausmachen könnte, ist die ÖVP uniwählbar: als Salz in der Suppe eines sozialistischen Österreich.

Die SPÖ, die sich in ihren Propa-gandaaktivitäten immer stärker den Kernschichten zuwendet, scheint diese Gefahr erkannt zu haben. Nur bei Pressekonferenzen darf sich Bundeskanzler Kreisky scharf antikommunistisch geben, in den Wiener Außenbezirken und in manchen Großbetrieben wird dagegen die „kapitalistische“ Volkspartei als „Klassenfeind Nr. 1“ beschrieben und bekämpft — wie in den erfolglosesten Zeiten der Sozialistischen Partei.

In einigen Teilen Wiens,! Niederösterreichs und der Steiermark kämpft die SPÖ tatsächlich an zwei Fronten: gegen die Volkspartei, aber auch gegen die KPÖ, die sich nach langen Jahren der Erfolglosigkeit anschickt, das Parlament zu erobern. Dabei dürften ihr nicht nur die wirtschaftliche Lage, sondern auch die spektakulären Erfolge der KP Italiens gelegen kommen. Ob nicht die prekäre Situation in Portugal eine schädliche Wirkung auf die Wahlaussichten der KPÖ ausübte? — Diese Frage verneint man in der Parteiführung. Man hält die Österreicher einfach für zu wenig belesen, um zu wissen, was in weiten Teilen der Welt vorgeht. Auch daraus schöpft man eine kleine Portion Zuversicht für den 5. Oktober 1975.

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