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Die Hoffenden

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Aktiveren Mitgliedern der von einer progressiv fortschreitenden Spaltungserkrankung heimgesuchten Kommunistischen Partei Österreichs wurde eine angenehme Überraschung zuteil. Der Druck, sich durch Unterzeichnung eines Wahlvorschlages zu exponieren und möglicherweise zugunsten einer klassen- fremden Zukunft die eigene bürgerliche Gegenwart ziu riskieren, war diesmal kaum fühlbar.

Der WaMvorschlag ist vor jeder Nationalratswahl eine Hürde, die die KPÖ in den letzten zehn Jahren von Mal zu Mal schwerer übersprang. Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, brauchen keinen Wahl- vorschlag einzubringen und daher auch ihre Funktionäre nicht auf die Tour zu schicken, um die notwendige Anzahl von Unterschriften, ohne die eine Kandidatur unmöglich ist, zu sammeln. Die KPÖ ist seit langem nicht mehr im Nationalrat vertreten und muß es daher tun.

Berechtigung, in das Parlament zu gelangen, schöpft sie aus dem neuen Wahlrecht, das ja kleine Parteien bekanntlich begünstigt. Aber auch, wer in der Parteiöffentlichkeit laut seinen Wahloptimismus .hinaustrompetet, dementiert in vielen Fällen hinter vorgehaltener Hand. Vieler Meinungen kurzer Nenner: Zwar kann man seit vielen Jahren zum erstenmal wieder hoffen, die Grundmandatshürde zu überspringen, aber diese Hoffnung ist doch so klein, daß es an ein Wunder grenzen würde.

Denn das Häuflein der letzten Getreuen schmilzt und schmilzt und schmilzt. Die Kandidatur der FÖJ als selbständige Gruppe ist bereits gesichert. Die FÖJ kann als der gefährlichste Gegner der alten Partei gelten, denn die Marxisten-Leninisten galten stets als Außenseiter und kandidierten ja auch nie. Nun ist aber nach alter Erfahrung ein Aufruf, sich der Wahl zu enthalten, lange nicht so wirkungsvoll wie die Einladung, in einem bestimmten Sinn zu wählen.

Dazu kommt, daß die FÖJ heute in Österreich bei weitem die liberalste Spielart des Kommunismus vertritt, den undoktrinärsten und für liberal angehauchte Genossen daiher wählbarsten Kommunismus. Es isrt recht wahrscheinlich, daß sie der überkommenen Partei eine recht beachtliche Zahl von Wählern wegniimmt.

Muhri gleicht heute einem Schmetterling, dem das Unglück widerfahren ist, daß der bunte Staub auf seinen Flügeln durch Bleistaub ersetzt wurde, was nicht nur kosmetische, sondern auch aerodynamische Nachteile bat. Muhri schien einst angetreten zu sein, um der KPÖ eine neue Zukunft in einiger Distanz zu den Chefs in Moskau zu sichern. Heute liegen Muhri und sein schon immer als opportunistischer Doktrinär bekannter Sozius Friedl Fürnberg strenger als je zuvor im Moskauer Joch, und wenn sie einmal eine Hand frei haben, dann gebrauchen sie sie, einem alten Witz zufolge, um den Schirm aufzuspannen, wenn in Moskau Regen angesagt ist.

Was nach den großen Aderlässen im Gefolge der Ungarn-Besetzung 1956 und der CSSR-Besetzung 1968 übriggeblieben ist, ist hoffnungslos überaltert, und gewisse KPÖ-Kader wenden bei gewissen. Anlässen, bei denen sie sich in der Öffentlichkeit zeigen, leicht mit Abordnungen eines Altersheimes verwechselt. Als Basis einer Partei mit Zukunftshoffnungen eignen sich die verbliebenen Mitgliederbestände kaum.

Nach den Ausschlüssen und Austritten praktisch der gesamten Parteiintelligenz, dem Hinauswurf oder Auszug mindestens der halben „Volksstimme“-Redaktion und nach der Formierung der neuen FÖJ- Gruppe regt sich nur noch innerhalb des ÖGB so etwas wie innerparteilicher kommunistischer Widerstand.

Kurz vor der Wahl deutet tatsächlich einiges darauf hin, daß die KPÖ Chancen auf ein Mandat hätte, vor allem, da ihre fortschreitende Schwächung gewisse Restsympathien mobilisiert. Aber es hat nicht den Anschein, als würde die KP-Fübrung unter Muhri diese Chance nützen. Sie ist offenbar längst an jenem Punkt angelangt, an dem ihr die Braivheit und Loyalität ihrer verbliebenen Anhänger als Spatz in der Hand viel wichtiger ist als die Taube eines noch so bescheidenen Wahlerfolges auf einem Dach, das ihr so hoch wie das ihres viel zu groß gewordenen Globus-Verlages erscheinen muß.

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