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Trotz Zerrüttung — Hoffnung

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Der ÖVP liebstes Kind, die „rote Katze”, hauchte am 2. Oktober 1969 in der Nähe des Eisemen Vorhanges in Eisenstadt mit einem letzten Schnaufer ihr unnütz gewordenes Leben aus. Versuche der ÖVP-Wahlkampfstrategen, sie vor dem 1. März 1970 in der Form der Drohung vor einem „roten” Osterreich wiederzubeleben, scheiterten schmählich.

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Der ÖVP liebstes Kind, die „rote Katze”, hauchte am 2. Oktober 1969 in der Nähe des Eisemen Vorhanges in Eisenstadt mit einem letzten Schnaufer ihr unnütz gewordenes Leben aus. Versuche der ÖVP-Wahlkampfstrategen, sie vor dem 1. März 1970 in der Form der Drohung vor einem „roten” Osterreich wiederzubeleben, scheiterten schmählich.

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Nun, da wieder einmal Wahlen vor der Tür stehen, richtet sich naturgemäß ein Teil des Interesses der politisch denkenden Öffentlichkeit aul die Haltung der Kommomisten. Und was bisher ihr Zentralkomitee dazu zu sagen hatte („Volksstimme” vom 21. Jänner 1971: „Die KPÖ hat in der Zweiten Republik bei allen Präsidentenwahlen zur Wahl des sozialistischen Kandidaten aufgerufen... Die Stimmen der Kommunisten waren für die Wahl der sozialistischen Kandidaten ausschlaggebend.”), ist dazu angetan, mit einiger Spannung dem 27. Februar entgegenzusehen, an welchem Tag die Haltung der Partei endgültig abgeldärt werden soll.

Für Kreisky selbst ist die Frage einer Unterstützung der KPÖ eine von geringerem Interesse. Nicht nur, daß er seit seinem Antritt als SPO-Partei-vorsitzender die KPÖ geradezu mit missionarischem Haß verfolgt, ist für ihn die KPÖ in ihrer heutigen Situation und Stärke eine quantite negli-geable:

Älter als die Zweite Republik Österreich (ihre Gründung erfolgte bereits am 3. November 1918), war sie lediglich in der Zeit vom 27. April 1945 (Tag der Proklamierung der Republik) bis zu den ersten Nationalratswahlen „Regierungspartei”. Die ersten allgemeinen Wahlen am 25. November 1945 legten die wahren Verhältnisse dar: 85 ÖVP, 76 SPÖ, 4 KPÖ.

Ihren größten Erfolg errangen die Kommunisten am 9. Oktober 1949, als sie mit 212.651 Stimmen fünf Abgeordnetensitze im Parlament besetzen konnten.

Seither ging’s bergab: Nur noch 192.432 Stimmen und drei Mandate am 13. Mai 1956, nur noch 142.598 Stimmen am 10. Mai 1959 und Verlust des Grundmandats; 1962 erreichte sie nur noch rund 135.000 Stimmen und am 6. März 1966 — dem Triumphtag der „roten Katze”, als die KPÖ lediglich in einem Wahlkreis kandidierte — 18.638 Stimmen;

1. März 1970: 46.689 Stinrunen — die KPÖ war von einer Wählerpartei zu einer reinen Mitgliederpartei herabgesunken, die auf Grund der natürlichen Bevölkerungsbewegung derzeit bei 26.000 Mitgliedern hält. Die Ereignisse des 21. August 1968, der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die benachbarte Tschechoslowakei, erschütterten die Partei — noch stärker als die große Ungarnkrise des Jahres 1956 — bis in die Grundfesten und waren der Keil für die seit damals währende Spaltung in „Progressiviisten” und „Altstalinisten’.

In den letzten zwei Jahren verlor die

Partei durch Austritt oder Ausschluß rund 5000 Mitglieder. Was viel stärker zählt, sind jedoch die Austritte bzw. Ausschlüsse Emst Fischers, Dr. Pragers, Marcel Rubins, Franz Wests und vieler anderer, vor allem aber die Kluft zwischen der Fraktion Kommunistischer Gewerkschafter und dem Zentralkomitee, in dem die orthodoxen Kräfte die sciiwankende und nach Ausgleich ringende Person Franz Muhris völMg isolierten. Die Auseinandersetzungen zwischen KPÖ-Gewerkschaftern und der Partei führten vergangenes Jahr zu dem Kuriosum, daß Muhri bei ÖGB-Prä-sident Benya — vergeblich — intervenierte, um jene MUlion Schilling für die Partei zu bekommen, die die Fraktion vom ÖGB unter dem Titel „I>eutsche Arbeiter-Front” erhalten hatte. Hauptgegner Muhris: Der aus dem ZK hinaiisgewählte Egon Kodicek.

Keine Einheit gibt es auch In der Jugendorganisation der österreichischen Kommunisten. Nach tumultartigen Zusammenstößen am 20. Parteitag wurde die „Freie österreichische Jugend” (FÖJ) von der Partei-spitze wegen ihrer >,progressivien” Haltung gefeuert.

Neues Wahlrecht — neue Hoffnung Und doch, auch angesichts der totalen Zerrüttung der KPÖ, ihrer völlig veralteten Mitgliederstruktur, des chronischen Geldmangels ihres — publizistisch hervorragenden — Zen-tralorganes „Volksstimme” läßt sich nicht von der Hand weisen, daß viele Anzeichen dafür sprechen, daß die KPÖ sehr wohl wieder „kommen” kann. Triftigstes Argument dafür ist die von der Regierung durchgepeitschte Wahlrechtsreform, die den Kommunisten neben der FPÖ gewaltige Vorteile beschert und es nicht unmöglich scheinen läßt, daß ein KPÖ-Vertreter ins Hohe Haus am Ring einzieht.

Weitere notwendige Voraussetzung für eine solche innenpolitische Sensation ist ein empfindliches Nachlassen der Konjunktur, das bis zu den Nationatoatswahlen reicht, und ein an sich durchaus denkbarer stärkerer Druck der Arbeiterschaft in der Lohnrunde des nächsten Jahres; über allem die erste so2ualistische Regierung, die den Arbeitern vor den letzten Wahlen mehr versprach, als sie nunmehr einhalten kann.

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