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Zurück zur Sekte

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Die Einstellung der „ Volksstimme ”als Tageszeitung ab 1. März und die Turbulenzen in der KPÖ, die ihrem nächsten und vielleicht letzten Parteitag im Juni entgegengeht, sind Symptome eines unvermeidlichen Auflösungsprozesses. An dem kann auch der gute Wille einiger junger und unbelasteter Persönlichkeiten, wie des sympathischen Obmanns Walter Silbermayer, nichts ändern.

Denn die Reformer stehen, selbst wenn sie sich gegen die Stalinisten durchsetzen, vor einer unlösbaren Aufgabe: Lassen sie es auf einen totalen Bruch mit der Vergangenheit und den belasteten Exponenten dieser Partei ankommen, müßten sie nicht nur den Namen der Partei ändern, sondern die Gründung einer ganz neuen Linkspartei ins Auge fassen. Es ist aber die Frage, ob für eine solche Gruppierung links von der Mitte in Österreich überhaupt ein Bedarf besteht, zumal die Grünen und Alternativen die Funktion und Rolle der politischen Linksüberholer besetzt halten.

Wahrscheinlich aber können es die Reformer gar nicht auf einen totalen Bruch und Schlußstrich ankommen lassen, da sie auf das Gros der noch immer von der stalinistischen Vergangenheit geprägten Funktionäre und Mitglieder Rücksicht nehmen müssen, wenn sie nicht Generale ohne Truppe bleiben wollen.

Was immer die Gutgesinnten und Gutwilligen tun mögen, um eine verlorene Sache doch noch zu retten, es ist wieder einmal zu wenig und zu spät.

Die KPÖ, die im November 1918 gegründet wurde und ihren ersten Parteitag im Februar 1919, also vor nunmehr 72 Jahren, in einem Ottakrin-ger Gasthaus in der Wiener Wattgasse, das heute sinnigerweise den Titel „Zum Knebl” trägt, abhielt, ist heute numerisch etwa auf die Größe, zusammengeschmolzen, die diese Partei in den Anfängen hatte. Nach einem vorübergehenden Aufschwung im Jahre 1945, der allerdings weit hinter den Erwartungen der Kommunisten zurückblieb und nicht für eine volksdemokratische Entwicklung Österreichs auf kaltem Wege reichte, ist die KPÖ wiederum zu einer Sekte geworden.

Zum Unterschied von 1918 aber, als sich die Kommunisten als die Ersten von morgen fühlten, denen es gelingen würde, die Masse der Arbeiterschaft auf ihre Seite zu ziehen, erwecken die müden alten Kämpfer von heute den Eindruck der Letzten von gestern, die nur die Wahl haben, zu kapitulieren oder geschlossen und linientreu unterzugehen. Und als politische Heilige der letzten Tage ein skurriles Dasein zu fristen.

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