6956295-1984_31_04.jpg
Digital In Arbeit

Doppelspiel in Kasernen

19451960198020002020

Einen freien Tag soll es für Präsenzdiener geben, wenn sie für die Verlängerung des Zivildienstes unterschreiben (FURCHE, 27/1984). Das Ministerium weiß davon nichts.

19451960198020002020

Einen freien Tag soll es für Präsenzdiener geben, wenn sie für die Verlängerung des Zivildienstes unterschreiben (FURCHE, 27/1984). Das Ministerium weiß davon nichts.

Werbung
Werbung
Werbung

Als Karl B., Grundwehrdiener in Wels, eines schönen Tages über die Intentionen des Österreichischen Milizverbandes aufgeklärt wurde, dachte er sich nicht viel dabei. Hinter Kasernenmauern erfuhr er dann von der Notwendigkeit der Verlängerung des Zivildienstes, von der Möglichkeit, mit seiner Unterschrift die Einleitung eines diesbezüglichen Volks-

begehrens zu unterstützen. Ein halber „freier Tag" wurde dafür in Aussicht gestellt.

Im Bundesland Salzburg, wo das angestrebte Volksbegehren seinen Ausgang genommen hat, wissen Bundesheersoldaten von ähnlichen Werbeaktionen zu berichten. Dort kamen Notare in die Kasernenstuben, um die Unterschriften gleich an Ort und Stelle entgegenzunehmen. Ohne Zwang, aber doch mit „militärischer Deutlichkeit", seien sie zur Unterschriftenleistung gebeten worden, schilderten Betroffene die Vorgänge.

Von solchen Vorfällen in Kenntnis gesetzt, wollte sich Renatus Capek, Obmann der Jungen ÖVP Salzburg, nicht länger in Schweigen hüllen. Er und mit ihm der Bundesvorstand seiner Organisation meldeten ernste Zweifel an der Redlichkeit der solcherart durchgeführten Unterschriftensammlungen an.

Deutlicher noch: Das Volksbegehren habe in den Kasernen, noch dazu während der Dienstzeit, nichts zu suchen. Die Unterschriftenleistung müsse freiwillig sein. Ansonsten könnte das Volksbegehren an sich in Mißkredit geraten. Der verantwortliche Minister Friedhelm Frischenschlager sei zur Rechenschaft zu ziehen.

Indes berief man sich beim Militärkommando Oberösterreich auf

höhere Weisungen. Das Volksbegehren, so Oberst Plasche, werde vom Milizverband getragen. Das Bundesheer unterstütze, auf ministerielle Weisung hin, den Milizverband. Das Bundesheer unterstütze daher auch das vom Milizverband initiierte Volksbegehren - in manchen Fällen auch mit Dienstfreistellungen für unterschriftbereite Grundwehrdiener.

Auf die „offizielle Unterstützung, auch in den Kasernen zu werben", verwies der Hauptinitiator des Zivildienstverlängerungsvolksbegehrens, Michael Schaffer, selbst Präsident des österreichischen Milizverbandes Salzburg.

Schaffer ist Reserveoffizier und in der Salzburger Landesregierung beschäftigt. Natürlich, meinte er, dürfe die Werbung

nicht durch das Militär selbst geschehen, sondern müsse durch eine dem Milizverband angegliederte Organisation vorgenommen werden. Dazu zählen die Salzburger Offiziersgesellschaft, die Unteroffiziersgesellschaft, der Landwehrverein und die österreichische Gesellschaft zur Förderung der Landesverteidigung.

Daß die Mitglieder dieser Organisationen zum größten Teil aktive militärische Funktionen bekleiden, nährt den Verdacht, daß hier ein doppelbödiges Spiel getrieben wird. Denn wie kann ein Grundwehrdiener erkennen, ob sein Vorgesetzter als Heeresangehöriger oder als Mitglied etwa der Offiziersgesellschaft die Werbetrommel rührt?

Was den rührigen Unterschriftensammlern entgangen sein

dürfte, ist eine Anordnung des Bundesministeriums für Landesverteidigung, die dieser Art von „Werbetätigkeit" einen Riegel vorschiebt.

In Beantwortung einer Anfrage des Militärkommandos Kärnten, „in dem um Entscheidung zu einer allfälligen Genehmigung von Werbetätigkeiten für das Volksbegehren des Milizverbandes Salzburg ersucht wird, das für die Verlängerung des Zivildienstes plädiert", blieb das ministerielle Placet aus.

Der verfassungsgemäße Auftrag des Bundesheeres sei genau festgelegt, heißt es da, und habe mit der Einleitung bzw. Unterstützung von Volksbegehren nichts gemeinsam. „Daher ist von Werbeaktionen in der Kaserne während der Dienstzeit Abstand zu nehmen, ebenso von Anordnungen für die Teilnahme an diesbezüglichen Veranstaltungen außerhalb der Dienstzeit."

Selbstverständlich, so Wolfgang Schneider vom Büro für Wehrpolitik im Verteidigungsministerium, gelte das für alle Kasernen in ganz Österreich. Sollten Fälle bekannt werden, daß dagegen verstoßen werde, dann müsse das Konsequenzen nach sich ziehen.

Bislang allerdings, verlautet aus dem Verteidigungsministerium, seien dem Ministerium noch keine derartigen Verstöße bekannt. Die Indizien dafür sammelt die Salzburger Junge ÖVP, der man auch nicht gerade vorwerfen kann, das Volksbegehren vorzeitig zu Fall bringen zu wollen. Immerhin zählen führende Politiker der Volkspartei zum Proponentenkomitee des Milizverband-Volksbegehrens. Renatus Capek: „Wir werden dazu auffordern, die in Kasernen unter diesen Bedingungen gesammelten Unterschriften für ungültig zu erklären."

Das wird freilich nichts an der Tatsache ändern, daß das Volksbegehren die „Einleitungshürde" mit mehr als 10.000 Unterschriften nehmen wird.

Was bleibt, ist Verwirrung: Die Junge ÖVP will Beweise sammeln und den Fall ins Parlament bringen, Verteidigungsminister Frischenschlager wird Erklärungen dafür finden müssen, warum man sich beim Milizverband einerseits auf seine Unterstützung beruft, andererseits aber eine Anordnung seines Ministeriums existiert, die Werbeaktionen für das Volksbegehren in den Kasernen verbietet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung