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Fristenlösung im Parlament: SPÖ stur, Regierung glänzt durch Abwesenheit

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Gähnende Leere auf der gesamten Regierungsbank und mehr als demonstrativer Beifall aus der linken Reichshälfte für die Rednerin der sozialistischen Fraktion: Das waren die Eindrücke von der in der vergangenen Woche im Parlamentsplenum abgewickelten Debatte über den Zwischenbericht des Sonderausschusses für das Volksbegehren der „Aktion Leben“. Beide Sprecher der Opposition, Walter Hauser (ÖVP) und Gustav Zeillinger (FPÖ), unterstrichen neuerlich den Willen ihrer Parteien zur Suche nach einem allseits annehmbaren Konsens. SPÖ-Sprecherin Edith Dobesberger ließ aberirotz der (wohl nur! rhetorisch) angekündigten „Gesprächsbereitschaft“ der SPÖ kaum einen Zweifel daran, daß die Türen bereits zugeschlagen sind.

Der Zwischenbericht über die Ausschußarbeiten, erstattet durch Erika Seda (SPÖ), war fällig, da bereits seit sechs Monaten im Sonderausschuß über das Volksbegehren beraten wird und eine halbjährige Rechenschaftslegung vorgesehen ist. Was freilich dazu verleitete, den Formalitäten durch einen völlig farblosen Bericht gerecht zu werden.

Das menschliche Leben bezeichnete Walter Hauser als das höchste Gut, weshalb die Volkspartei jede Lösung ablehne, die den Schutz des Lebens nicht sicherstellt. Mit dem Volksbegehren der Aktion Leben stimme die Linie der Volkspartei im wesentlichen überein: „Wir erwarten daher, daß sich dieses Volksbegehren durchsetzt wie jedes andere Volksbegehren zuvor. Das Rundfunkvolksbegehren und auch das Volksbegehren zur Arbeitszeitverkürzung haben ihre Ziele dem Grunde nach erreicht.“

An die Adresse von SPÖ-Klubob-mann Heinz Fischer gerichtet, der im Ausschuß gemeint habe, die SPÖ fühle sich in ihrer Haltung durch den letzten Wahlausgang bestätigt, erklärte Hauser, dies sei eine unzulässige Interpretation, zumal die Initiatoren des Volksbegehrens bewußt das Thema Fristenlösung aus dem Wahlkampf herausgehalten hätten. Die Behauptung, die Zahl der Abtreibungen sei durch die neue strafgesetzliche Regelung zurückgegangen, bezeichnete Hauser ebenfalls als unzutreffend; Sachverständige seien sich darin einig, dies sei allenfalls auf die zunehmende Verwendung empfängnisverhütender Mittel zurückzuführen.

Im Gegensatz zur SPÖ versprach Walter Hauser auch, sich weiterhin für die verfassungsrechtliche Verankerung des menschlichen Lebens einzusetzen. Die unterschwellige SPÖ-Pro-paganda, die Volkspartei wolle nur eine Neuauflage des alten Paragraphen 144, bezeichnete Hauser als Unterstellung. Seine Fraktion trete lediglich dafür ein, daß es eine gewisse strafrechtliche Verantwortung gebe: „Wo es keine Konfliktlage gibt, kann es auch keine Straffreiheit geben.“ Hauser appellierte abschließend an die Konsens berei tschaft der SPÖ und warnte davor, „mit vorgefaßten Meinungen am unsinnigen Beschluß des Jahres 1973 festzuhalten“.

„Viele Entscheidungen, die das Volksbegehren verlangt, hat unsere Fraktion zum großen Teil bereits vorweggenommen“, erklärte Edith Do-besberger und sprach von einem „wahren Leistungsrekord“ in der Sozialpolitik: „Der sozialpolitische Teil des Volksbegehrens ist schon übererfüllt.“ Dobesberger wartete mit der Heiratsbeihilfe, der Geburtenbeihilfe, der Unterhaltsbevorschussung und dem Karenzurlaubsgeld auf, ja auch die Schulfreifahrten und Schulbuchaktionen mußten dafür herhalten, den Ein^ druck vorzutäuschen, die SPÖ habe bereits den wesentlichen Inhalt des Volksbegehrens erfüllt. Lediglich ein paar lächerliche Kleinigkeiten, Nebensächlichkeiten, scheinen nach ihren Worten noch unerfüllt zu sein.

Während sich ÖVP-Chef Josef Taus bemühte, die Emotionen seiner Fraktionskollegen nicht von der Leine zu lassen, erklärte Dobesberger, die Sterblichkeit nach unsachgemäßen Schwangerschaftsabbrüchen sei auf Null zurückgegangen. Die Realität zeige, so Dobesberger, „daß in dieser Frage wirklich Ruhe eingetreten ist“. Die Lösungsvorschläge des Volksbegehrens in strafrechtlicher Hinsicht seien für die Sozialisten keinesfalls annehmbar. Unter dem Leitspruch „Helfen statt strafen“ müsse es gelingen, durch zusätzliche soziale Sicherheiten das „Ja“ zum Kind zu ermöglichen.

Das Fortbestehen weiterhin äußerst kontroversieller Standpunkte bestätigte FPÖ-Jüstizsprecher Gustau Zeillinger in seinen Ausführungen, wobei er darauf hinwies, es besiehe gerade bei Debatten im Parlamentsplenum die eminente Gefahr, „daß man sich auseinanderredet“. In der Frage der Verfassungsverankerung des menschlichen Lebens sei seine Fraktion verhandlungsbereit, da es gelte, eine Lücke im Rechtssystem zu schließen.

Dann nahm Zeillinger bezug auf die SPÖ-Sprecherin Dobesberger: „Es kann eine Gruppe behaupten, daß sieben Achtel des Volksbegehrens erfüllt sind, während jenes letzte Achtel, auf das es den Initiatoren des Volksbegehrens ankommt, unerfüllt bleibt.“ Es sei bekannt, daß die gegenwärtige Lösung in der Durchführung zu Schwierigkeiten führe. Zeillinger sprach von einer unterschiedlichen Wirklichkeit: „Niemand wird diesen Zustand begrüßen.“

Im wesentlichen beharren noch alle Fraktionen auf ihren alten Standpunkten, meinte Zeillinger. Der Stand-I punkt der Freiheitlichen: „Wir sind für die Konfliktlösung. Das heißt, es fällt i die 90-Tage-Frist weg, denn es soll : nicht mehr auf den Tag sondern auf ' den Grund ankommen.“ Weil die Abtreibungs-Frage eine reine Frage des Gewissens sei und die Meinungen außerdem quer durch die Fraktionen gingen, plädierte Zeillinger abschließend dafür, „Gemeinsames vor Trennendes“ zu setzen.

Noch am selben Tag der Plenums-Debatte beeilte sich das SPÖ-initiierte Komitee „Helfen statt strafen“ festzustellen, die Problematik der gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruches sei ausdiskutiert, was die von Dobesberger rhetorisch dargebotene Gesprächsbereitschaft geradezu konterkariert. In der bisherigen Behandlung durch den Sonder-. ausschuß seien außerdem keine neuen Argumente aufgetaucht, „sondern nur alte, längst widerlegte Thesen zur Neueinführung des unseligen Paragraphen 144 aufgewärmt“ worden. Jetzt gelte es, die Durchführung eines medizinisch einwandfreien Schwangerschaftsabbruches in allen Bundesländern zu gewährleisten.

Die starre Haltung der Sozialisten in der Fristenlösungs-Debatte veran-laßte auch die „Aktion Leben“ zu einer Stellungnahme, in der es heißt: „Es mutet zumindest als politisch merkwürdiges Vorgehen an, wenn mitten in besonderen Bemühungen der SPÖ, das Gespräch mit den Katholiken zu suchen, in dieser für die Kirche ganz wesentlichen Frage nicht nur keine Gesprächsbereitschaft gegeben ist, sondern politisch geradezu alle Türen zugeschlagen werden.“ Die Aktion Leben appelliert an die Regierungspartei, keine politische sondern eine sachliche Entscheidung zu treffen.

Eine Reihe von anerkannten Wissenschaftlern hat sich, so die Aktion Leben, fundiert geäußert und Bedenken gegen die Fristenlösung vorgebracht. Erst kürzlich habe sich der anerkannte Rechtslehrer Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Waldstein zu Wort gemeldet. Er habe die Frage erhoben, ob dem ungeborenen Kind nicht sogar formell ein verfassungsrechtlicher Schutz seines Lebens und seiner Existenz zustehe. Das ungeborene Kind sei beispielsweise nach den Bestimmungen des Zivilrechtes bereits erbberechtigt. Die Annahme, daß zwar das Eigentum grundrechtlich geschützt sein solle, nicht aber das Leben, welches erst dazu befähige, Eigentum zu haben, wäre in solchem Ausmaße absurd, daß sie der österreichischen Grundrechtsordnung einfach nicht unterstellt werden könne, meinte der Salzburger Gelehrte.

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