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Dieser Riß bleibt

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Bei jenen Österreichern, die in erster Linie Christen sind und in zweiter Linie nach einer politischen Heimat suchen, wird sich die SPÖ in nächster Zeit einigermaßen schwer tun. Wenn Bruno Kreisky diese Leute dazu einlädt, doch mit ihm „ein Stück Weges“ zu gehen, dann wird man ihm ’was pfeifen.

Kreisky und seine Partei hätten letzten Mittwoch, als die Fristenlösung im Parlament zur Debatte stand, zeigen können, daß sie willens, fähig und demokratisch genug sind, ausnahmsweise selbst mit jemand anderem „ein Stück Weges“ mitzugehen: Nämlich mit den immerhinfast 900.000 Unterzeichnern des Volksbegehrens der Aktion Leben.

Sollte die SPÖ der Illusion nachlaufen, mit der doppelten Ablehnung der Meinung der Fristenlö- sungs-Gegner sei die Sache endgültig vom Tisch, wird sie sich hoffentlich kräftig täuschen.

Die Initiatoren des Volksbegehrens haben bereits vor der Parlamentsdebatte über die Fristenlösung erklärt: „Wir Initiatoren lassen uns nicht abschrecken; viele unserer Unterzeichner werden verbittert sein. Wir aber sagen: Und jetzt erst recht!“ Eindrucksvoll führte Volksbegehrens-Chef Eduard Ploier das Positive seiner Initiative vor Augen, jenen Teil der Arbeit, der auch durch eine noch so rüde Ablehnung durch die Sozialisten nicht entwertet werden kann: Die Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung. „Wenn auch nur ein Kind auf Grund unserer Anstrengungen am Leben geblieben ist, dann haben sich all die Anstrengungen ausgezahlt.“

Auch die Debatte im Parlament ließ keinen Zweifel: „Dieser Riß bleibt“, rief ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser den sozialistischen Abgeordneten zu. Er bezeichnetle die Fristenregelung als rechtspolitisch, gesundheitlich, ethisch und bevölkerungspolitisch falsche Lösung.

Bezeichnend Jur den „unfaßbaren intoleranten Radikalismus“ (Hauser) der SPÖ in dieser Frage ist auch, was Hauser über die Aus- schvßberatungen berichtete: Auf eine Frage des ÖVP-Abgeordneten Felix Ermacora an den Fristenlöser Dozent Rockenschaub über die Tötung menschlichen Lebens habe Rockenschaub unter anderem geantwortet, auch eine Krebszelle sei menschliches Leben. Sollte Rockenschaub nicht mißverstanden worden sein, kann er sich auf soviel Frivolität wirklich etwas einbilden! (Klarerweise behauptet er aber, mißverstanden worden zu sein und etwas anderes gesagt zu haben.)

SPÖ-Hauptredner Heinz Fischer tat, was er tun konnte: Er sprach nicht über die sozialpolitischen Wünsche des Volksbegehrens. Nicht über die erzieherischen Aspekte. Schon gar nicht über den grundsätzlichen Schutz allen menschlichen Lebens durch die Verfassung. - Er sprach darüber, daß die Unterzeichner des Volksbegehrens Tausende Frauen in die grauenvollen Fänge der Justiz treiben wollen, daß sie Tausende Frauen nur hinter Schloß und Riegelsehen wollen. Und das alles erzählte er den Abgeordneten der Opposition, denn seine eigenen Genossen waren mehrheitlich gar nicht anwesend.

Bruno Kreisky, für den die Fristenlösung keine Gewissensfrage und demnach kein Grund dafür ist, ins Parlament zu gehen, hat viel Porzellan zerschlagen lassen. Wenn er weiterhin glaubt, Österreichs Katholiken für seine Person zu begeistern, sei ihm gesagt, daß die Distanz zwischen Kirche und Parteien nicht jener Funktionär bestimmt, der ein gläubiger Christ ist, daß die Distanz auch nicht von der Kirche allein bestimmt wird, sondern von den Programmen und der Politik der Parteien.

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