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Digital In Arbeit

Wenn es um die Kinder geht...

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Es gibt niemanden in Österreich, dessen Thesen ich in aller Öffentlichkeit schärfer angegriffen habe als Primarius Rockenschaub. Bis heute erschüttern mich die Argumente, mit denen er sein Eintreten für die Fristenlösung rechtfertigte. Bis heute kann ich vor allem nicht verstehen, wie ein Arzt, ein Geburtshelfer die Meinung vertreten kann, ungeborenes Leben sei kein Mensch und Abtreibung eine durchaus vertretbare Methode der Geburtenregelung.

Dennoch habe ich mich immer bemüht, Diskussionsgegner zu verstehen und in ein echtes Gespräch mit ihnen zu kommen. Bei Primarius Rockenschaub ist mir das gelungen. Ich will mich dessen freilich gar nicht rühmen, denn er war es, der dieses Gespräch begonnen hat. Ich bitte den geschätzten Leser, mir zu glauben, daß sich mein Entsetzen über die derzeitige Abtreibungspraxis vor allem in der Semmelweisklinik nicht geändert hat. Was ich dennoch als Gewinn empfinde, ist jede Demonstration der Tatsache, daß auch abtreibende Ärzte Menschen sind: Menschen mit Sorgen, unsichere Menschen, Menschen wie jeder von uns.

Mich mit abtreibenden Müttern zu identifizieren, ist mir nie schwer gefallen. Im Gegenteil, es war der Druck, unter dem eine Frau stehen

muß, um ihr Kind zu töten, die mich dazu gebracht hat, auf die Barrikaden zu steigen, Mißdeutungen zu ertragen und oft genug mich beschimpfen zu lassen. Ich weiß, daß dieser Druck zunächst nicht von abtreibenden Ärzten, sondern von Vätern, Arbeitgebern, Schwiegermüttern, komsumbeses-senen Freunden - von einem großen Kreis von Menschen ausgeübt wird.

Bei Einführung der Fristenlösung haben auch viele Befürworter des neuen Gesetzes gemeinsam beteuert, es ginge letztlich nicht um Strafbestimmungen, man wolle die Abtreibung vermeiden. Geschehen ist seither fast nichts. Mütter und Kinder sind wieder eine

uninteressante Minderheit geworden, und die Gesellschaft ist froh, ein lästiges Thema los zu sein.

Nicht nur im Zusammenhang mit Abtreibung aber sind wir alle an Schicksal und Wohlergehen von Müttern und Kindern schwer zu mobilisieren. Ein Lied davon kann Univ.-Prof. Czermak singen, der sich mit bewundernswerter Zähigkeit seit vielen Jahren für die Interessen von Kindern, insbesondere Neugeborenen, und ihren Müttern einsetzt.

Eines der Anliegen von Hans Czermak ist seit Jahren das „rooming-in“. Jahrelang ist ihm aber nicht gelungen, einem einzigen Spital die Bereitschaft abzuringen, neugeborene Kinder mit ihren

Müttern unterzubringen, anstatt sie in unpersönlichen Kinderzimmern zu isolieren. In Wien fand sich schließlich ein einziger Mann, der sich nach längerem Zureden bereit erklärte, „rooming-in“ zu versuchen: Primarius Rok-kenschaub.

Er hat alle Schwierigkeiten in seinem Spital überwunden und schließlich interessante und positive Erfahrungen gemacht. Sein Standpunkt zum Thema Abtreibung ist seither differenzierter geworden. Es gibt heute sogar einige Forderungen der „Aktion Leben“, die auch er vertritt, obzwar die Kluft noch groß ist.

Seit Jahren ist Primarius Czermak der Vorsitzende der Sektion Sozialpädiatrie der

österreichischen Gesellschaft für Kinderheilkunde. Für die 16. Jahrestagung dieser Gesellschaft hat er Primarius Rockenschaub zu einem kurzen Vortrag über das „rooming in“ eingeladen.

Univ.-Prof. Heribert Berger, Vorstand der Universitäts-Kinderklinik Innsbruck, hat Protestschreiben an Prof. Rosenkranz gerichtet, weil Rockenschaub, der sich nicht gerade „als Freund der Kinder profiliert hat, dem vielmehr der Tod vieler werdender Kinder in Österreich zuzuschreiben ist“, gehört werde. Zudem hat er die Assistenten seines Hauses veranlaßt, ein Protestschreiben an den Präsidenten der österreichischen Gesellschaft für Kinderheilkunde zu richten.

Mich hat diese Geschichte sehr nachdenklich gemacht. Ist nicht das größte unserer Gebote die Liebe? Ist nicht gerade heute, da nicht über Strafrecht verhandelt wird, jede Minute unserer Zeit und jeder Funke Energie, den wir aubringen, dringend nötig, um den völlig verlassenen Müttern und Kindern zu helfen?

Müssen wir nicht jede Aktivität in diese Richtung feiern, auch wenn sie von Seiten eines Mannes kommt, der Zusammenhänge nicht, oder vielleicht noch nicht erkannt hat?

Leserforum... Leserforum.., Leserforum... Leserforum.. * Leserforum

Über Menschenrechte

„Und die Afroamerikaner?“

Den Wunsch, diesen Brief zu schreiben, haben bei mir Auszüge aus dem Fernsehinterview der Beraterin des US-Präsidenten Carter in Menschenrechtsfragen, Frau Patricia M. Derian, erweckt (FURCHE Nr. 42).

Meine Aufmerksamkeit hat im übrigen folgende Fragen des Fernseh-Journalisten erregt: „Die USA haben zum Beispiel der Sowjetunion bei der Behandlung ihrer Dissidenten eine ganze Menge angekreidet, aber nie eine Streitfrage aus der Situation in der Volksrepublik China gemacht, wo man annehmen kann, daß die Regierung ihre Dissidenten auch nicht gerade mit Glacehandschuhen anfaßt.“

Diese Frage trifft den Nagel auf den Kopf, wobei wir den Vergleich der Sowjetunion mit China beiseite lassen wollen. Die ganze Welt weiß, welche Massenrepressalien in der VRCh die „Kulturrevolution“, der „Kampf gegen die Viererbande“ oder jede andere politische Kampagne begleiten. Der Zustand, den man „Säuberung“ nennt, ist in China permanent geworden. Grausame physische Repressionen gegen zehntausende oder hunderttausende Menschen, die aus irgendeinem Grunde' als nicht genehm gelten - das ist die „Säuberung“ auf Chinesisch.

Und wie wird darauf in den USA reagiert? „Was China anbetrifft, haben wir über Menschenrechtsange-

legenheiten auf höchster diplomatischer Ebene gesprochen“, sagte Frau Derian . ..

Nicht uninteressant ist eine weitere Frage des amerikanischen Kollegen: „Wie steht es um die Verwirklichung der Menschenrechte in den USA selbst?“ Frau Derian antwortet, die Afroamerikaner meinend: „Einige Perioden in unserer Geschichte waren wirklich finster für einen Teil unserer Mitbürger.“ Und: „Heute haben wir besonders das Problem der jun-

gen schwarzen Bürger, von denen viele keine Aussicht haben, in der Zukunft eine Arbeit zu bekommen.“

Was Frau Derian über die Afroamerikaner sagt, ist wahr. Aber es ist noch lange nicht die ganze Wahrheit...

V. Bojew, Leiter der (sowjetischen) Presseagentur NOWOSTI in Wien

Zur ganzen Wahrheit gehört leider auch immer noch, daß die FURCHE in keiner sowjetischen Zeitschrift einen Artikel veröffentlichen kann, wie es „Nowosti“ in Österreich gerne tut.

chen übertrieben, diese erste Volksabstimmung als die größte Farce der Zweiten Republik und als glatte Frotzelei des österreichischen Volkes zu bezeichnen?

Otto Klimek, 3130 Herzogenburg

Wer sind die Experten?

Die Atomphysiker, viel mehr noch die Techniker, sind nur für zwei Fragen zuständig:

1. Ist der wissenschaftliche Beweis erbracht, daß radioaktive Strahlung die in Atomkraftwerken und Wiederaufbereitungsanlagen verwendeten Materialien Stahl, Glas, Beton, Granit nicht zerstören?

2. Ist der wissenschaftliche Beweis erbracht, daß die auch bei Normalbetrieb eines Atomkraftwerkes entweichenden radioaktiven Nuklide keinerlei Erbschäden verursachen?

Beide Fragen konnten bisher nur mit nein (bzw. mit eisigem Schweigen!) beantwortet werden. Vor diesem Hintergrund ist alles Weitere eine Frage des Gewissens.

Dr. Hans Divitschek, Facharzt, 8010 Graz

„Grundsätze“

Nach 5 (4) des österreichischen Strahlenschutzgesetzes darf die Betriebsgenehmigung für Zwentendorf nur erteilt werden, wenn „für den Schutz des Lebens ... auch im Hinblick auf den in Aussicht genommenen Standort (!) in ausreichendem Maße Vorsorge getroffen wird.“

Nach dem österreichischen Strah-lenschutzgesetz ist somit die Standortfrage (erdbebengefährdetstes Gebiet Österreichs; Nähe Wiens, somit im Falle eines Super-Gau möglicherweise Millionen Tote) ein wesentlicher Punkt des Bewilligungsverfahrens. Ich war also wie viele meiner Mitbürger schockiert, als ich im Regierungsbericht (S. 132) fol-

genden „Grundsatz“ der Bundesregierung las:

„Der Umstand, daß sich die Behörde nach dem österreichischen Strahlenschutzgesetz nicht mit Fragen ... der Standortwahl auseinandersetzen muß, versetzt sie in die Lage, sich auf die essentiellen Aspekte des Strahlenschutzes zu konzentrieren und unbeeinflußt von sonstigen Problemen - im Sinne der vollen Erfüllung des Gesetzesauftrages (!) - für den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft ... Vorsorge zu treffen.“

Sind solche „Grundsätze“ verfassungsrechtlich vertretbar?

Direktor Roman Laußermayer, 6460 Imst

Keine Schildbürger

Die Nichtinbetriebnahme des fertiggestellten Kernkraftwerkes wäre sicher kein Schildbürgerstreich, sondern ein - wenn auch verspätetes - Zeichen ökologischer Vernunft und hohen Verantwortungsbewußtseins. Dr. Friedrich F. Stengel, 1130 Wien

Größte Farce

Die Fragestellung bei der Volksabstimmung ist so formuliert, daß entweder (bei Ja-Mehrheit) das Ja zur Inbetriebnahme von Zwentendorf erteilt oder (bei Nein-Mehrheit) keine gesetzliche Genehmigung notwendig ist.

Status quo also in jedem Fall, ganz egal wie die Volksabstimmung ausgeht. Ist es angesichts dieser Tatsa-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

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