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Nennings Absetzbewegung?

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Die erste Euphorie ist verflogen, der bis dato zur Schau gestellte Optimismus gewichen, Nüchternheit tritt an die Stelle von Illusion. Das von Leuten, die sich selbst gern als „intellektuell“ bezeichnen, initiierte Volksbegehren zur Abschaffung des Bundesheeres ist ins Stocken geraten; an Stelle höhnischer „Gedichte“ über das Bundesheer druckt Günter Nennings „Neues Forum“ Aufrufe ab, in denen „dringlichst“ um Spenden gebeten wird: „Erlagschein liegt dem Heft bei.“ Gab man sich bis vor kurzem in Nennings Kreisen noch betont optimistisch, was Vorbereitung und Durchführung des in der österreichischen Geschichte jedenfalls einmaligen Volksbegehrens betrifft, klagt das „Neue Forum“ nunmehr • über den schleppenden Fortgang und die mangelhafte Organisation. Eher kleinlaut wird berichtet, daß in „Wien eine schlecht funktionierende Landesorganisation existiert“, und daß es „in Niederösterreich, Burgenland und Vorarlberg keine oder fast keine Organisation gibt.“ Weiters rügt das „Neue Forum“, daß der kürzlich zusammengetretene vorbereitende Ausschuß für das Bundesheervolksbegehren über eine völlig unbefriedigende Unterschriftenaktion und einen verheerenden Kassenstand berichten mußte. Doch dem soll nun abgeholfen werden. In völlig ungewohnter militanter Art werden die Initiatoren zu einem sogenannten „Intensivseminär“ vergattert, das ihnen das nötige Rüstzeug geben soll, dem Volksbegehren zum entscheidenden Durchbruch zu verhelfen urd das ungeliebte (oder der eigenen Bequemlichkeit wegen unbeliebte) Bundesheer doch noch zu beseitigen. Schließlich bestand im Vorbereitungsausschuß darüber Einhelligkeit, „daß'äie Agitation für das Bundesheervolksbegehren nur dann sinnvoll und langfristig durchzuhalten ist, wenn sie über das bloße Unterschriftensammeln hinausreicht und Anlaß gibt, zu tiefergehenden Prozessen der Infragestellung, Diskussion, Aufklärung betreffend Themen wie Frieden und Abrüstung, Gewaltlosigkeit, Wehrdienstverweigerung sowie überhaupt Problemati-sierung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, Politisierung möglichst vieler Bürger der demokratischen Republik.“ Völlig unerwartet erhielten die Volksbegehrer dieser Tage allerdings die dringend benötigte, wenn auch nicht sonderlich wirkungsvolle Unterstützung; eine „Liberale Partei Österreichs“, eine im Schatten der österreichischen Innenpolitik dahinvegetierende Kleinstpartei fordert zur Unterzeichnung des BH-Volks-begehrens auf. Ob dieser offensichtlich mangels jeglicher Attraktivität letzte verzweifelte Versuch der Existenzsicherung dieser Partei dem Volksbegehren die entscheidende Wendung (sprich Aufbringung von 200.000 Unterschriften und 250.000 Schilling) bringen wird? Wird das Volksbegehren, wie angekündigt, allen Schwierigkeiten zum Trotz dennoch im Herbst eingebracht, dürfte es zu einer interessanten Konfrontation führen. Denn wie wird der neue Verteidigungsminister auf die Forderungen einer linksstehenden, von vielen Exponenten der SPÖ verhätschelten Gruppe reagieren, die für sich in Anspruch nimmt, die Bundesheerre-form bei den Parteien auf die Tagesordnung gesetzt zu haben? Mit drohendem Unterton postuliert Nenning für den Fall, daß Bundesregierung und Nationalrat Maßnahmen dieser Art (Dienstzeitverkürzung, Alternativdienst, Demokratisierung) erwägen oder beschließen, daß der „Vorbereitungsausschuß jeweils zu prüfen haben wird, ob und inwieweit hiedurch Forderungen des Volksbegehrens bereits erfüllt werden konnten.“

Oder beginnt Nenning damit bereits seine Volksbegehren-Absetzbewegungen einzuleiten? Freunde trauen ihm zu, rechtzeitig das Pferd zu wechseln. Nenning soll, so sagt man, immer schon rechtzeitig wittern, wo für ihn nichts mehr zu holen ist.

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