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Ein Sturzbach von Einfällen

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„Die Jagd nach Dr. U. oder Ein einsamer Spiegel, in dem sich der Tag reflektiert” - so lautet der umständliche Titel des neuesten Buches von H. C. Artmann. - Eine typische Artmann-Produktion, wie sie kaum ein anderer zustandebrächte. H. C. Artmann war immer schon ein literarischer Außenseiter und Einzelgänger, der sich nie modischen Tendenzen verschrieb, sich nie einordnen ließ in - mehr oder weniger - fragwürdige Kategorien. Er ist unbeirrbar seinen eigenen stilistischen Weg gegangen, und das zu Recht, wie auch der jüngste Band beweist.

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„Die Jagd nach Dr. U. oder Ein einsamer Spiegel, in dem sich der Tag reflektiert” - so lautet der umständliche Titel des neuesten Buches von H. C. Artmann. - Eine typische Artmann-Produktion, wie sie kaum ein anderer zustandebrächte. H. C. Artmann war immer schon ein literarischer Außenseiter und Einzelgänger, der sich nie modischen Tendenzen verschrieb, sich nie einordnen ließ in - mehr oder weniger - fragwürdige Kategorien. Er ist unbeirrbar seinen eigenen stilistischen Weg gegangen, und das zu Recht, wie auch der jüngste Band beweist.

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„Lesematerial” nennt der Autor seine Arbeit. Das dürfte auch wohl die einzig richtige Definition sein. „Die Jagd nach Dr. U.” ist weder ein Roman, noch sonst einer gängigen literarischen Form zuzuordnen, sondern einfach eine Kette von Gedankenassoziationen, fiktive Erlebnisse und Beobachtungen - niedergeschriebenes Material. Den äußeren Rahmen der Handlung bestreiten zwei Personen, der Erzähler und ein gewisser Dr. U. (Doctor Unspeakable).

Dieser Dr. U. ist ein berühmter Verwandlungskünstler, der in alle möglichen Masken schlüpft, sich bei jeder Gelegenheit verkleidet und damit die Leute - auch den Erzähler, der übrigens als Eremit in einem alten Turm lebt - zum Narren hält. Die Geschichte beginnt an einem 28. Dezember in Sibirien, wo der Erzähler den geheimnisvollen Dr. U. während einer Eisenbahnfahrt kennenlernt. Er ist sofort fasziniert von dieser sonderbaren Persönlichkeit und beschließt, den Spuren des Dr. U. zu folgen.

Doch das alles ist nur Aufhänger für eine Flut von phantastischen Vorfällen. Den Inhalt all dieser Artmann- schen Geschichten wiederzugeben, ist unmöglich, zu bizarr und. verwirrend, zu unglaubwürdig und sprunghaft klingen die Erzählungen.-Dazu kommt noch Artmanns Sprachakrobatik, die immer wieder aufs neue fasziniert. Eine Fülle von kraftvollen, durchaus originellen Sprachbildern und Wortwitzen stürzt auf den Leser ein. Artmann zeichnet das Kaleidoskop einer verkehrten, „auf den Kopf gestellten Welt”, in der es nichts Unmögliches gibt, in der „Nord- und Südpol wenige Sekunden auseinander liegen”, und alle Hindernisse im Nu überwunden werden. Jeden Augenblick wartet eine neue Überraschung.

Artmanns derb-witziger Stil erinnert fast an barocke Schelmenromane. Auch hier wird das Komische übersteigert, karikiert, der Autor entlehnt Ausdrücke aus der Trivialliteratur und setzt diese verfremdend ein, so daß sich eine seltsame Doppelbödig- keit entwickelt, ein hintergründiger, boshafter Humor.

Ein spannendes, faszinierendes Buch, die Phantasiewelt des H. C. Artmann. Kein hochintellektuelles Werk, doch ein Meisterspiel der Fabulierkunst; und die sollte ja auch noch gepflegt werden.

„DIE JAGD NACH DR. U.” Von H. C. Artmann. Residenz-Verlag, Salzburg, 1977, 158 Seiten, öS 138,-.

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