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Eine Tragödie

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Die jüngste Tragödie Österreichs, von ihrem Anfang schon ein gutes Stück entfernt, ist ihrem Ende lange noch nicht nahe. Sie hat in diesen Tagen nur einen neuen Scheitelpunkt erreicht.

Der ,fall Waldheim“, der ganz gewiß nicht mit ein paar nach Abschluß und Erledigung schmeckenden forschen Kurzformeln abzutun ist, muß gleichwohl in seiner Gesamtdimension noch einmal in Erinnerung gerufen werden.

Den Anklägern des Jüdischen Weltkongresses ging es zunächst natürlich nicht darum, einen ,J,ügner“ und „Opportunisten“ zu überführen. Das wissen auch die Herren in New York, daß sie sich mit einer solchen Zielsetzung zum Weltenrichter über Tausende Politiker gemacht hätten.

Erst als JVozi“ und .Kriegsverbrecher“ nicht zu beweisen waren, zog man sich auf .Mitwisser“ und ,Xügner“ zurück.

Aber immer hieß es bisher: Es gehe um Waldheim, nicht um ganz Osterreich. Anfangs sagten die führenden Herren des Jüdischen Weltkongresses sogar, nur der ehemalige UN-Generalsekretär und gar' nicht der österreichische Präsidentschaftskandidat interessiere sie. Dann war's doch der gewählte Präsident, der sie irritierte. Und nun ist es ganz Österreich.

„Viel wichtiger als die Frage, ob Waldheim an Kriegsverbrechen beteiligt war“, ist Edgar Bronfman jetzt auf einmal die ,Mitwirkung Österreichs an der Judenvernichtung“, für die Waldheim ein ,JSymbol“ sei.

Diese unerhörte Pauschalverdammung, die das Opfer Tausender Österreicherinnen und Österreicher für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte unbeachtet läßt, wurde von führenden österreichischen Politikern mit Recht zurückgewiesen. Einen Michl Graff hätte man für das, was Bürgermeister Zilk dazu jetzt sagte, wieder einmal in der Luft zerrissen.

Aber Zilk hat recht: Mit solchen ungeheuren Unterstellungen wird neue Feindschaft gezüchtet. Konkret: auch Antisemitismus. Das ist ungerecht, unmenschlich, unbegründet — aber Tatsache. Edgar Bronfman muß das wissen und nimmt es in Kauf. Wenn das nicht eine moralische Mitschuld ist...

Mit einer solchen Klarstellung soll keinerlei Ablenkungsversuch verbunden werden. Mit dem Historikerurteil, der Bundespräsident habe uns alle hinters Licht zu führen versucht, muß jeder von uns jetzt fertigwerden, vor allem auch Waldheim selbst. Es wird für ihn und uns schwer genug sein. Pauschalverdammung von außen brauchen wir dazu wirklich nicht.

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