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Entscheidende Jahre

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Der heuer 75 Jahre alt gewordene Elias Canetti legt hier seinen 2. Band Memoiren vor. Der Titel „Die Fackel im Ohr” verweist auf das grundlegende Erlebnis der Jahre 1921-1931: Karl Kraus, von dem er fasziniert bis benommen war und sich dann doch auch wieder kritisch distanzieren konnte („Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich begriff, daß es Karl Kraus gelungen war, eine Hetzmasse aus Intellektuellen zu bilden, die sich bei jeder Lesung zusammenfand und so lange akut bestand, bis das Opfer zur Strecke gebracht war.”). Anstoß dazu gaben seine Berliner Monate.

Um zwei Brennpunkte kreist also die Lebensgeschichte, die Zeitgeschichte lebendig werden läßt: Wien und Berlin. Vor allem das kulturelle Leben des Berlin der zwanziger Jahre, das zu sehr dem österreichischen Blickfeld entschwunden ist, wird in seiner eminenten Bedeutung faßbar, (im Besonderen die Wirkung von Brecht, Grosz, Babel). Das „Gedränge der Namen” wird zur „Schule des Hörens”.

Daß man also nicht nur Aufschlüsse über das Leben Canettis, (über den Zauber seiner späteren Gattin Veza) erhält, machen diese Memoiren so bedeutend, vielmehr noch außerdem die Berichte über Methodik und Inhalte seiner Werke (,,Die Blendung”, „Der Ohrenzeuge” und natürlich die zentrale Todesthematik). Von all dem werden die Wurzeln bloßgelegt, man liest sich wie von selbst in seine Werke ein und in seine Sprache, die - sicher auch teilweise aus der Frucht seines enormen Leseprogramms - zweifellos zur anspruchvollsten der Gegenwartsliteratur zählt.

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