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Fairneß bei Steuerjagd

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Eine Enquete zur Reform der Steuerfahndung veranstaltete das „Forum 90" der ÖVP am 13. März. Über das Wie darf noch diskutiert werden, die Notwendigkeit einer Reform ist indes unbestritten.

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Eine Enquete zur Reform der Steuerfahndung veranstaltete das „Forum 90" der ÖVP am 13. März. Über das Wie darf noch diskutiert werden, die Notwendigkeit einer Reform ist indes unbestritten.

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Anläßlich des tragischen Vorfalles bei der Steuerfahndung im Hotel „Lengbacher-Hof" in Niederösterreich hat der Wirtschaftsbund ein Memorandum zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Steuerpflichtigen und der Steuerbehörde ausgearbeitet.

Wirtschaftsbund-Generalsekretär Wolf gang Schüssel betonte gegenüber der FURCHE, es gehe nicht darum, „Steuerhinterzie-her" zu verteidigen oder das Steuerhinterziehen zu erleichtern.

„Steuerzahler dürfen kein Freiwild sein", erklärte auch Präsident Rudolf Sallinger bei der parlamentarischen Diskussion über den Mittelstandsbericht der Bundesregierung.

Das Zehn-Punkte-Memorandum des Wirtschaftsbundes geht davon aus, daß das gegenwärtige Finanzstrafgesetz dringend novelliert werden müsse.

• Nur schwere Delikte sollen von ordentlichen Gerichten geahndet werden. Die Zuständigkeit müsse sich nach der Strafprozeß-Ordnung richten. Alle sonstigen Finanzvergehen sollen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren geahndet werden. Freiheitsstrafen sind abzuschaffen. Ersatzfreiheitsstrafen dürfen nur Spruchsenate, also Richter, festsetzen.

• Die Anordnung von Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen und Festnahmen soll nur mehr durch Vorsitzende der Spruchsenate — also immer durch unabhängige Richter — erfolgen. Derzeit entscheidet dies der Amtsvorstand des zuständigen Finanzamtes!

• Zu Beginn der Amtshandlung ist eine zwingende Rechtsbelehrung durchzuführen. Derzeit wird auf Grund der Gesetzeslage die Rechtsbelehrung nur auf Verlangen durchgeführt.

• Bei allen Hausdurchsuchungen soll der Beschuldigte in jedem Fall einen rechtskundigen Vertreter beiziehen können. Der Beschuldigte soll weiters einen unbedingten Anspruch auf Beiziehung von zwei Vertrauenspersonen haben.

• Hausdurchsuchungen selbst sollen nur bei „begründetem Verdacht" vorgenommen werden dürfen. Die Hausdurchsuchung ist ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre des steuerpflichtigen Bürgers. Die derzeitige Praxis, Hausdurchsuchungsbefehle mit standardisierten Begründungen auszufertigen, entspricht daher nicht dem Auftrag des Gesetzgebers. Eine Hausdurchsuchung darf auch niemals zur Beschaffung von Verdachtsgründen durchgeführt werden.

• Es muß eine Verhältnismäßigkeit der Amtshandlung hergestellt werden. Das gilt für die Zeit des Fahndungsbeginnes genauso wie für die Anzahl der Fahnder, die Dauer der Einvernahmen und die Einbeziehung unbeteiligter Familienmitglieder.

• In einer Novelle zum Finanzstrafgesetz muß ein eigener Paragraph über ein gesetzliches Beweismittelverbot aufgenommen werden. In Analogie zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Blutabnahme bei Verdacht der Alkoholisierung im Straßenverkehr dürfen Beweismittel, die auf gesetzwidrige Weise zustande gekommen sind, im Verfahren gegen den Beschuldigten nicht verwendet werden.

• Im Finanzministerium solleine Kommission, bestehend aus Interessenvertretern, für Dienstaufsichtsbeschwerden im Zusammenhang mit der Steuerfahndung errichtet werden.

• Den Finanzbeamten ist das Tragen von privaten Waffen bei der Amtshandlung zu untersagen. Bei „heiklen" Einsätzen ist Polizei- oder Gendarmerieschutz anzufordern.

• Die Steuerfahndung muß dezentralisiert werden. Die zentrale Fahndungsabteilung für Wien, Niederösterreich und Burgenland soll aufgelöst werden und den Finanzstrafabteilungen der einzelnen Finanzämter übertragen werden.

Der Wirtschaftsbund will mit diesem Memorandum eine Änderung des derzeit geltenden Finanzstrafrechtes. Denn die Steuerfahndung steht derzeit im Spannungsfeld zwischen Gesetz und Praxis. Immer wieder werden Klagen über nicht gesetzeskonforme, manchmal sogar schikanöse Amtshandlungen laut. Aber Dienstaufsichtsbeschwerden sind selten, denn sie führen kaum zu einem Erfolg.

Finden behördliche Ubergriffe statt, dann decken die Aussagen der Fahnder und/oder die Unterschrift des Betroffenen auf einem amtlichen Formular alles zu. In den darauffolgenden mündlichen Strafverfahren vor dem Schöffengericht oder vor dem Spruchsenat werden Ubergriffe der Fahnder, wenn sie Erfolg in Form einer Beweisermittlung gebracht haben, nicht berücksichtigt.

Der Wirtschaftsbund fühlt sich als legitimer Vertreter der Wirtschaftstreibenden. Die Tatsache, daß Steuern hinterzogen werden, wird dennoch vom Wirtschaftsbund nicht goutiert. Es geht, wie es Wirtschaftsbund-Generalsekretär Schüssel formuliert, darum, „daß der steuerzahlende Bürger als mündiger Bürger auch beim Verdacht eines Vergehens behandelt wird".

Die Ursachen der Steuerhinterziehung liegen - so Fachleute — in der komplizierten Gesetzesmaterie und in der Höhe der Abgaben. Viele Steuerverfehlungen entstehen aus Unkenntnis oder aus einer falschen Interpretation der Bestimmungen durch den Steuerzahler.

Die Höhe der Steuer selbst wirkt wiederum in vielen Fällen leistungshemmend oder sie verführt zum „Steuerbetrug".

Der tragische Vorfall in Altlengbach kann — auch wenn das in diesem Fall fast zynisch klingt — noch einen positiven Ausgang nehmen. Eine Novelle zum Finanzstrafrecht kann ein erster Schritt in Richtung Aufwertung des steuerzahlenden Bürgers sein und Anlaß dafür, das Steuersystem insgesamt zu überdenken.

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