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Einzelfall oder Premiere?

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Der noch vor der Sommerpause im Parlament gefaßte Re-schluß, den Rechnungshofausschuß auch in den Parlamentsferien im Sommer tagen zu lassen, war eine der wenigen Sternstunden dieser Einrichtung, die sich sonst so stark von der Regierung gängeln läßt. Die ÖVP mußte, um einen solchen Beschluß zustandezubringen, mit der Opposition stimmen.

Wenn dieser Entschluß nur ein vereinzelter Mutanfall war, der ohne Folgen in der Zukunft bleibt, kann man zur Tagesordnung übergehen und zum Koalitionsalltag, der ein gemeinsames Vorgehen der Regierungsparteien auch im parlamentarischen Verfahren vorsieht, zurückkehren. Doch ganz abgesehen davon, daß es keineswegs ausgemacht, wenn auch nach wie vor wahrscheinlich ist, daß es nach den nächsten Wahlen zur Fortsetzung der großen Koalition kommen wird, könnte sich das Parlament, auch wenn dies der Fall ist, öfter als bisher ermannen und zu freien Mehrheitsbildungen übergehen. Denn wenn wir schon ein Vielpar-teiensystem haben und nicht ein Regierungs- Oppositionssystem nach englischem Muster, sollten wir uns die Chancen, die in einem solchen System liegen, zunutzemachen.

Auch die Parlamentarier und allen voran ihr Präsident müßten, wenn sie sich in erster Linie als Mandatare und nicht als Parteimänner fühlen, eine solche Möglichkeit begrüßen und von ihr häufig Gebrauch machen, so daß der Beschluß in Sachen Rechnungshof nicht ein Einzelfall bleibt, sondern eine Premiere war, die eine Serie von gelungenen Aufführungen einleitet.

Schon vor Jahrzehnten hat Hermann Withalm in der Großen Koalition für einen koalitionsfreien Raum gekämpft. Wäre es im Zeichen veränderter und unverkrampfterer Verhältnisse nicht hoch an der Zeit, diese Idee in den parlamentarischen Alltag einzuführen, ohne damit ein Regierungsbündnis in grundsätzlichen Fragen auszuschließen? Das Beispiel, das das Parlament durch seinen Beschluß über den Rechnungshofausschuß gegeben hat, ist jedenfalls abgesehen von seiner sachlichen Richtigkeit zur prozedu-ralen Nachahmung empfohlen.

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