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Gewerkschafts-Qualen

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Doppeldoktor Günther Nenning hat es wieder einmal geschafft: Auf dem Sektionstag der Journalistengewerkschaft für Wien, Niederösterreich und Burgenland wurde er mit 258 von 441 gültigen Stimmen in seinem Amt als Gewerkschaftsboß bestätigt. Gerold Christian, Gegenkandidat aus dem nichtsozialistischen Bereich, brachte es auf 146 Stimmen.

■Daß Günther Nenning ein schlechter gewerkschaftlicher Verhandler wäre, ist mir in journalistischen Kreisen noch nicht zu Ohren gekommen. Im Gegenteil: Der nicht altern wollende Jüngling hat noch bei jeder Gehaltsrunde seinem Gegenüber an Gehaltsprozenten herauszureißen versucht, was herauszureißen war. Doch geht es hier nur um die Optimierung von Gehaltsvorstellungen?

Gerade in letzter Zeit hat das persönliche Image des Günther Nenning wieder einigen Schaden genommen. Fast schön hat man den Eindruck, das wesentliche an Nen-nings Erscheinung bestünde darin, daß er für Szenen, Provokationen, Krawalle und Skandälchen genauso unentbehrlich ist wie die Braut für den Bräutigam. Der Ruf zahlreicher Journalisten, Nenning durch einen seriöseren Standesvertreter zu ersetzen, kam also nicht von ungefähr.

Die Rechnung ging gleich aus mehreren Gründen nicht auf:

Erstens haftet den Nenning-Geg-nern seit eh und je der Nachteil all jener Menschen an, die unvorbereitet aus der Hüfte schießen wollen: Sie treffen nicht.

Zweitens gaben am Sektionstag der Journalistengewerkschaft offenbar nicht wenige Jünglinge ihre Stimme ab, ohne dem zu entsprechen, was man herkömmlich unter einem Journalisten versteht.

Drittens hat die in letzter Minute eingereichte Liste der Jung-Journa-listen (zwischen links und jenseits) unter Führung von Harald Irnberger mit einem guten alten Rezept gearbeitet: Getrennt marschieren, vereint schlagen. Als Vorsitzenden wählten sie Nenning, in den restlichen Wahlgängen brachten sie noch einige Leute in entscheidende Gremien.

Den Journalisten bleibt nichts übrig, als sich einer demokratischen Wahl zu beugen. Den Lesern aber kann der zynische Gedanke nicht verübelt werden: Jede Gewerkschaft hat offenbar den Vorsitzenden, den sie verdient! Hat sie ihn? '

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