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Progressiv — und Kleinbürger...

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Seit den Büchern von Germaine Greer und Esther Vilar ist Frauenbefreiung zumindest als Gesprächsthema „in“. „Weibliche Eunuchen“ schmeißen „dressierten Männern“ die „Lust an der Unfreiheit“ an den Kopf, Patriarchen geben schmunzelnd Progressiven recht, Revolutionäre heißen zornig Liberale reaktionär, dieweilen ihrer aller Frauen Kinder kriegen und „Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen ...“ in den Küchenmief trällern. So richtig spannend wird die Sache freilich erst, wenn Linke einander in die Haare geraten. So geschehen vor kurzem: Günther Nenning wurde von zwei Damen gründlich zerzaust.

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Seit den Büchern von Germaine Greer und Esther Vilar ist Frauenbefreiung zumindest als Gesprächsthema „in“. „Weibliche Eunuchen“ schmeißen „dressierten Männern“ die „Lust an der Unfreiheit“ an den Kopf, Patriarchen geben schmunzelnd Progressiven recht, Revolutionäre heißen zornig Liberale reaktionär, dieweilen ihrer aller Frauen Kinder kriegen und „Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen ...“ in den Küchenmief trällern. So richtig spannend wird die Sache freilich erst, wenn Linke einander in die Haare geraten. So geschehen vor kurzem: Günther Nenning wurde von zwei Damen gründlich zerzaust.

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So nahm einen der schrecklichsten Bannflüche, über die Österreichs KP noch verfügt, eine Frau Dr. Ursula Nack aus dem Köcher, um ihn gegen Günther Nenning abzuschießen. Es ist die Beschimpfung als „kleinbürgerlicher Linker“, dem „die Verbündung mit dem Proletariat und die Erfassung des Klassencharakters unserer Gesellschaft kaum möglich erscheint“. Anlaß der Attacke im Jännerheft von „Weg und Ziel“, wo die ideologischen Richtlinien für die letzten Linientreuen der KPÖ ausgegeben werden, war ein Nenning-Artikel im „Neuen Forum“ unter dem Titel „Wir Männer sind Schweine“.

Nenning hatte sich mit untrüglichem Sinn für das Modische für die ebenso temperamentvollen wie intelligenten, Zinken, aber olles andere als orthodox-marxistischen Thesen von Germaine Greer („Der weibliche Eunuch“, S. Fischer) stark gemacht und FAaenes zum Thema der

Frauenemanzipation zum besten gegeben. Sein Eigenes: Rekapitulation bekannter Diagnosen, betreffend die Stellung der Frau in der kapitalistischen Gesellschaft. Die von Nenning vorgeschlagene Therapie gipfelt im Vorschlag eines Hausfrauengehaltes, das nicht „durch die Hände der Ehemänner gehen“ dürfte, um nicht „zu einem weitern Institut der Abhängigkeit der Ehefrau vom Ehemann“ zu werden. Nenning: „Die von der Wirtschaft aufzubringenden Beträge müßten auf dem Weg über die öffentliche Hand direkt an die Frauen gelangen.“

Motivation für eine solche Verpflichtung „der Wirtschaft“, was immer Nenning darunter verstehen mag: Die Milliarden, die sie sich erspart, indem sie „Lohn und Gehalt quasi kürzen kann um den Gegenwert der kostenlosen Hausfrauenarbeit“.

Weitere Nenning-Forderungen: „Frauengew erkschaften“, vermehrte

Freiheit unter dem Banner der Li-bertinage und Promiskuität.

„Weg und Ziel“ fährt gegen Nenning auch mit Zahlenmaterial auf. doch sind die von Frau Nack wiedergegebenen Daten weniger ein Argument gegen Nenning als eine Ergänzung der von ihm selbst zitierten Angaben. Nenning: Laut Niederösterreichischer Arbeiterkammer lag in den letzten Jahren der hö chstt Stundenlohn einer Arbeiterin mi\ 17.50 S nur knapp über dem niedrigsten Stundenlohn einet Arbeiters (17.25 S). Durchschnittslohn: Arbeiter 21.57, Arbeiterinnen 15.13 S. Steigerung der Löhne seil 1949: auf das knapp Sechsfache fw Arbeiter, nur auf das Fünffache fw Arbeiterinnen. „Weg und Ziel“ gibt unter Berufung auf die „Salzburgei Nachrichten“, das Durchschnittseinkommen der berufstätigen Mannet in Österreich mit 4536 S, das dei Frauen mit 2970 S an und verweist auch auf die bekannte Tatsache, daf in Österreich, nach Finnland, in dei kapitalistischen Welt Frauen mi\ 41,3 Prozent den höchsten Prozentsatz der Arbeitskräfte stellen. 190t war der Prozentsatz mit 43,3 Prozent noch höher.

Frau Nack will Nenning einfach nicht glauben, die Frau sei „ein Stück unfreier, der Mann um eben dieses Stück besser dran“, und postuliert die ersehnte Solidarisierung der Frauen mit den Männern im Klassenkampf als Faktum.

Kompetenter wird Nenning in seinem eigenen „Neuen Forum“, anschließend an seinen Artikel, von Heidi Pataki attackiert. Sie ist im Ton sanfter als Nenning, in der Sache dafür um vieles präziser, wenn sie ihm vorrechnet, das Hausfrauengehalt könne die Frauen nur noch stärker ins kapitalistische System integrieren und den Männern eine Ausrede verschaffen, sich das Wirtschaftsgeld ganz zu ersparen und ihr Gehalt für sich zu behalten.

Sie wendet sich aber auch gegen die Frauengewerkschaft, denn: „Die dickgepolsterten Posten blieben dann erst recht den Männern vorbehalten“, mit anderen Worten, außerhalb des Gettos namens Frauengewerkschaft hätten die Frauen dann noch weniger zu reden als jetzt. Die Nenning-Diskutation („Katalog der schicken Ideen“) schlägt Nenning auch mit ihren Formulierung s-künsten: „Aus sexuellen Frustrationen derivieren die bekannten intellektuellen Frustrationen, die teils verhöhnte, teils gepriesene weibliche Idiotie, welche dann die Männer nicht nur zu Weiberfeinden, sondern nach kürzestem Umgang und Verkehr auch selbst zu Idioten macht. Diese weibliche Idiotie kann jedoch keinesfalls als alleiniges Privileg der Hausfrau bezeichnet werden: man wird ihr auch in der sogenannten Karrierefrau begegnen, die diese ihre Position entweder einer idiotischen Branche verdankt oder in einem cleveren Beruf eine idiotische Rolle einnimmt.“

Nenning vermag solcher Kritik von links nur entgegenzusetzen, er wüßte „noch Wilderes“ über sich selbst zu sagen. (Was er aber wohlweislich verschweigt.)

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