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Presseförderung als Terrorförderung?

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Es muß wundervoll sein, eine Boeing 707 zu entführen und in die Luft zu sprengen — ein echtes revolutionäres Abenteuer in unserer langweiligen Zeit. Leila Khaled, die sich nach der Entführung und Zerstörung einer amerikanischen, und dem mißglückten Anschlag auf eine israelische Maschine nunmehr der „Ausbildung im Rahmen der PFLP” widmet, findet zwar, daß „westliche .Revolutionäre”… weniger ein ungewöhnliches politisches als ein gewöhnliches kulturelles Phänomen” darstellten, läßt sie aber doch gerne an den Abenteuern und Euphorien einer Flugzeugentführung teilhaben: „Die Boeing muß brennen.”

Abgedruckt mit dem Untertitel „Warum die Palästinenser Flugzeuge entführen”‘ im neuesten „Neuen Forum” (September-Oktober 1974); nebst einer ausführlichen Darstellung der Organisationen und Standpunkte der arabischen Terroristen und einer „Dokumentation” unter dem Titel „Israelischer Landraub — von der Besetzung zur Annexion”,

Die Solidarisierung eines großen Teiles der westlichen Linken, einiger echter (vor allem aber solcher, die mit den Marxschen Begriffen Sein und Bewußtsein, die Ihnen doch vertraut sein sollten, nicht klärgekommen sind), ist die eine Sache; die Rückwirkungen dieser Solidarisierung auf die linken westeuropäischen außerparlamentarischen Bewegungen, der ursächliche Anteil dieser Solidarisierung an deren Her- unterkommen, ihrem Vor-die-Hunde- Gehen — auch das ist die eine Sache.

Eine andere, jedenfalls die demokratische österreichische Gesellschaft tiefer, nämlich zentral betreffende Sache ist jene staatliche Pressepolitik, die der Amalgamierung der links von der Regierungspartei stehenden Kräfte mit dieser revolutionär-romantischen Folklore dem inhumanen Palästinenser-Terror Vorschub leistet.

Genauer: Ein Günther Nenning, der sich einen nicht ungefährlichen politischen Kindergarten nält und dort „Die Boeing muß brennen” spielen läßt — das ist die eine Sache. Eine andere Sache ist ein Günther Nenning, der die eigene Narrenfreiheit, die ihm der „Big Boss” einräumt, weil er wahrhaftig einen Narren an ihm gefressen hat, an ebendiesen seinen nicht ungefährlichen politischen Kindergarten weitergibt. Um klarzustellen, was Narrenfreiheit in diesem Zusammenhang heißt: hier ist nicht von unserer Pressefreiheit die Rede, die ohnehin nur dann eine echte Pressefreiheit sein kann, wenn sie auch einen Schuß Narrenfreiheit enthält. Hier ist von der staatlichen Finanzierung einer Tätigkeit die Rede, die nicht die Revolution predigt, sondern den nackten Terror.

Noch deutlicher: Dasselbe „Neue Forum”, das sich zum Sprachrohr der palästinensischen Terroristen macht und Flugzeugentführungen glorifiziert, ist zugleich das derzeit am ausgiebigsten mit staatlichen Förderungsmitteln bedachte Presseobjekt dieses Landes. Daraus können, alternativ, nur zwei Schlüsse gezogen werden. Entweder liegt hier ein eklatanter Fall von Freunderlwirtschaft vor, oder die Regierung dieses Landes, der zuständige Ressortchef oder ein üblicherweise noch zuständigerer Mann, erachtet die revolutionären, im neuesten ;,Neuen Forum” bis zur offenen Verherrlichung des Flugzeugterrors gediehenen Emanationen eines Kindergartens, dem das Spielen mit Streichhölzern freigegeben wurde, tatsächlich für das förderungswürdigste Objekt im Blätterwalde Österreichs.

Es gibt natürlich eine dritte Möglichkeit. Vielleicht sind da - Freunderin den Freunderin ein bisserl entglitten. Vielleicht läßt sich der Geschäftsführer, Herausgeber, Chefredakteur und Verantwortliche des „Neuen Forum” vom Subventions- geber nichts mehr’sagen. Oder vielleicht lassen sich seine Redakteure von ihm nichts mehr sagen. Am wahrscheinlichsten erscheint, daß Günther Nenning sich vom Subventionsgeber und Protektor seiner Zeitschrift nichts mehr sagen läßt, weil er sich nicht traut, seinen Redakteuren etwas zu sagen, weil er Angst hat, dann bei ihnen als revolutionärer Versager in den großen linken Bierverschiß zu geraten. Die Gruppendynamik derartiger radikaler und isolierter, in der Isolierung immer radikaler werdender Gruppen und Güppchen ist bekannt: die Mitglieder treiben einander im Kampf um die Vorherrschaft in immer extremere Positionen. Es geht oicht um die Sache, es geht um Persönliches.

Denn man darf eines nicht vergessen: auch die arabischen Terrororganisationen unterliegen derselben gruppendynamischen Gesetzmäßigkeit. Auch hier wurde das Übertrumpfen zum Lebensgesetz. Das Ende ist bekannt. Man ging weiter: Von der Flugzeugentführung mit anschließender Sprengung der leeren Maschine zum Sprengen in der Luft. Nennings „Neues Forum” ist bereits soweit, entschuldigende Wolle für die Mörder von Kiryäth Schmona zu finden.

Der gefährliche revolutionäre Kindergarten, der mittlerweile beim

„Die-Boeing-muß-brennen-Spiel” angelangt ist, wurde 1973 aus dem Bundesbudget mit 285.000 Schilling subventioniert. (Die nächsthöhere Forderungssumme für ein Presseobjekt war um ein Beträchtliches niedriger.) Die Budgetpost, unter der das „Boeing-muß-brennen-Spiel” subventioniert wird, heißt „Förderung des Schrifttums zur staatsbürgerlichen Erziehung”.

Wir wollen und können das „Neue Forum” nicht killen, aber so, wie es jetzt ist, handelt es sich hier nicht um eine linke Zeitschrift, sondern bestenfalls um einen Tanzboden für die Solidarisierungsrituale infantiler Möchtegern-Revolutionäre. W enn man eine Zeitschrift parteiloser Marxisten fördern will, wogegen nichts einzuwenden ist, dann hätte das „Wiener Tagebuch” das verdient, was die Freunderlwirtschaft dem „Neuen Forum” zufilzte. (Die FURCHE als Wochenzeitung ist kein Konkurrent der geförderten Zeitschriften und ist bisher auch immer für die Existenz des „Neuen Forums” eingetreten.)

Der Präsident der Journaliitenge- werkschaft Günther Nenning sollte dem Chefredakteur und Herausgeber Günther Nenning den Kopf waschen. Vor allem aber sollte der Subventionsgeber dem Herausgeber und Chefredakteur Günther Nenning den Kopf waschen, und dieser seinen lieben Kleinen die Streichhölzer aus der Hand nehmen, bevor ein Unglück geschieht. Denn es könnte nicht nur einen innenpolitischen Skandal bedeuten, wenn man jenseits unserer Grenzen zur Kenntnis nimmt, welche publizistische Linie in den Augen der österreichischen Bundesregierung die höchste Förderung verdient.

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