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Pressefreiheit unter Druck

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Der an die radikale Linke und an Po-lit-Porno „verlorene Sohn“, Günther Nenning, wird vom Chef der Bundesregierung wieder ernstgenommen. Offenbar sehr ernstgenommen, denn da gab es am 12. November zwischen Kreisky und Nenning ein Gespräch, von dem die Öffentlichkeit praktisch nicht unterrichtet wurde. Der Bundeskanzler und der oberste Journalistengewerkschafter verhandelten miteinander über hochbrisante Medienfragen - und eine „interne Unterlage“ für weitere Gespräche mit dem Bundeskanzleramt ist alles, was an Transparenz geboten wurde. So nebenbei, mehr durch Zufall, brachten ein paar spärliche Zeitungsnotizen dieses Protokoll einer, so scheint es, bereits gegebenen Absichtsübereinstimmung der beiden so diskreten Gesprächspartner ans Licht der Öffentlichkeit.

Worum geht es also eigentlich? Da soll das Presseförderungsgesetz 1975 novelliert werden. Es sollen Gewerkschaftsvertreter in die Kommission zur Vergabe der Förderungsmittel aufgenommen werden. Es sollen solche Förderungen auch für die Journalistenausbildung vorgesehen werden, Auslandskorrespondenten sollen staatlicher Unterstützung teilhaftig werden.

Sicherlich ein Paket an Wünschen und Vorstellungen, das diskutabel ist. Nicht einzusehen, daß deshalb soviel Geheimniskrämerei betrieben wurde. Doch der harte Kern kommt noch! Kreisky und Nenning haben festgestellt, daß zusätzliche staatliche Mittel, also Steuergelder, für Presseförderung vorzusehen seien, und zwar für jene Zeitungsverlage, die in Redaktionsstatuten die journalistische Mitbestimmung einrichten.

Hier sollte man beginnen, aufzuhorchen. Mit Steuergeldern also soll in die Presseförderung das Prinzip der Un-gleicheit getragen werden. Zeitungen, die brav und gefügig sind, gewissen politischen Wunschvorstellungen nachkommen, sollen belohnt werden. Daß Belohnung aus staatlichen Mitteln zur Pression wird, liegt auf der Hand. Die ganze Fragwürdigkeit, ja Unsinnigkeit solcher Überlegungen wird offenbar, wenn man bedenkt, daß die Frage der Redaktionsstatute im großen Medienrechtsentwurf von Fachleuten und allen Interessensvertretern des Medienwesens längst ausgehandelt ist.

Doch das ist noch nicht alles!

Die Pleite-Staatsfinanzen haben noch mehr Geld im Säckel, und der „Medienkanzler“ hat ein offenes Ohr, wenn es um die Zielvorstellungen des linken Systemveränderers Nenning geht. Staatliche Mittel sollen eingesetzt werden, um in den privaten, also freien und unabhängigen Medienunternehmungen Kapitalaufstockungen zu bewirken, wenn diese als Kapitalanteile in das Eigentum von „Redakteursgesellschaften“ gegeben werden.

Das ist enthüllend und alarmierend zugleich. Die letzten Reste einer freien und eigenständigen Kontrolle der politischen Machtausübung durch unabhängige Medien sollen an die Kandare gelegt werden. Der Staat gibt, der Staat nimmt - er nimmt die Pressefreiheit! In einer freien Gesellschaft mögen sicherlich auch „Redakteursgesellschaften“, also Miteigentum der Redakteure an Zeitungen, möglich sein; dort, wo solche aus Eigeninitiative, aus eigener privater Willenserklärung und den eigenen Leistungen zustande kommen. Staatskapital aber dafür in Aussicht stellen, das ist schon

kein verhüllter Machtanspruch mehr, das ist eminente, ja lebensbedrohende Auflösung echter Demokratie, wie sie in der freien pluralen Welt verstanden wird. Im Lichte dieser Pläne, nimmt sich all das, was in den letzten Jahren von Regierungsseite am Mediensektor herumgeackert wurde, als geradezu schüchternes gesellschaftspolitisches Experiment aus.

Österreich, du sollst, du mußt es anders wollen. Hierzulande macht man sich offenbar nicht die weise Erkenntnis etwa des „Hauptvorstandes der Deutschen Industriegewerkschaft Druck und Papier“ zu eigen, die in einer klaren Entscheidung wörtlich besagt: „In der Tat ist die Presse überall dort, wo sie frei ist, privatwirtschaftlich organisiert.“

Noch ist es nicht lange her, daß man der Pressefreiheit Mores lehren wollte. Als die überzogenen Repräsentationsausgaben der Regierung kritisiert wurden, kam prompt Dr. Kreis-kys Reaktion: „Dann wird man auch die Steuerzahler fragen müssen, ob sie Millionen für die Zeitungen (die Presseförderung) zahlen wollen ...“.

Wieweit sind wir eigentlich schon im Denken der augenblicklichen Mächtigen und mancher ihrer Berater von der Freiheit der Medien abgerückt? Im neuen Nenning-Buch „Realisten oder Verräter“ spricht der ultralinke Journalistengewerkschafter eine deutliche Sprache von den „bösartigen Medienmaschinen“, vom „Me-dienterror“ der bürgerlichen Presse oder wörtlich: „Pressefreiheit ist das Recht auf ungestörte Massenverblödung“.

Nach dem Gespräch vom 12. November muß nicht nur die Frage erlaubt sein, sie muß vielmehr ernstlich gestellt werden: Wieweit hat sich Nen-ning Kreisky oder Kreisky dem nach links „verlorenen Sohn“ Nenning angenähert? Ist Nenning auf seinen rosaroten Pfoten nicht doch längst das geworden, was Kreisky noch vor einigen Monaten im Parlament heftigst dementierte, nämlich Kron-Ideologe der SPÖ?

Dr. Kreisky wird ohne seine beliebten Unscharfen und ohne Nebel zu antworten haben. Der Buchtitel Nen-nings „Realisten oder Verräter?“ wird zur entscheidenden Frage in diesem Lande.

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