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Spiel mit dem Feuer

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Die hitzige Debatte um den ins Schußfeld öffentlicher Kritik geratenen Rechnungshofbericht über die Repräsentationsspesen der Regierung Kreisky im Jahre 1974 trägt zwei markante Züge: Der eine ist das frivole Verhältnis der sozialistischen Regierung zum Geld schlechthin. Jener Zug nämlich, der teilweise auch sdhon als Ignoranz und Sorglosigkeit der fremden Brieftasche gegenüber empfunden wird. Oder wie sonst soll man es bezeichnen, wenn ein großer Künstler, nämlich Karl Böhm, aus Mitteln des Burades-budgets eine Demel-Torte zum stolzen Preis von 12.962 Schilling bekommt? (Auch dann, wenn er sich aus Bescheidenheit nichts anderes gewünscht hat!)

Der zweite markante Zug ist die Aktion „Neidgenossen unterwegs“. Der nioht gerade verantwortungsvolle Versuch, jene, die nicht repräsentieren, gegen jene aufzubringen, die repräsentieren, weil sie eben Politiker sind. Zugegeben: Die Neidgenossen sind oft genug auch ungebetene Gäste beim Leichenschmaus. Trotzdem aber sollte dem unbefangenen Staatsbürger eine differenzierte Sicht geboten, sollte unterschieden werden zwischen vorsätzlicher oder fahrlässiger Prasserei und notwendiger Repräsentation. Unter dem Motto „nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich“ sohlten eben nicht Mittagessen mit ausländischen Gästen gegen Pakale und diese wiederum gegen monströse Torten aufgerechnet werden.

Die aktuelle Spesendiskussion zeigt deutlich, daß der Regierung Kreisky der Staatsuneistertitel im Einnehmen wie im Ausgeben von Geld mit Fug und Recht zuerkannt wenden kann. Noch mehr: Sie wirft ein weiteres bezeichnendes Licht auf die Ernsthaftigkeit aller Sparappelle dieser Regierung, die nicht nur jedes Jahr die Zahl der Staatsdiener um die Größenordnung einer Kleinstadt bereichert, die zusieht, wie in Wien Millionenbeträge „verklopft“ werden, zusieht, wie Staatsbetriebe vor der Pleite stehen, und die Gebühren- und Tarifspirale aufzieht wie einen Spielzeugkreisel. Und nun eben die Spesen der Regierungsmitglieder, die sich wirklich sehen lassen kommen. So etwa die „persönlichen Ausgaben' des Finanzministers in Höhe von fast 245.000 Schilling. Oder die Konsumation im Parlament, die Justizminister Broda mit 45.543 Schilling veranschlagt. Laut Auskunft der Parlamentsküche kommt das Meine Menü zur Zeit auf 27 Schilling, das große auf 35. Broda konnte also mit seinen Ausgaben für die Parlamentsküche umgerechnet rund 1300 Menüs berappen; und das nur, wenn man ihm unfairerweise unterstellt, immer das teurere bestellt zu halben.

Wenn Kreisky bislang zum Thema „Sparen“ in der Öffentlichkeit herumgebrummt hat, dann hatte er zumeist die Lacher auf seiner Seite. Etwa damals, als er Herrn Österreicher aufforderte, sich aus Energiespargründen nur noch naß zu rasieren (offenbar, nachdem er von Kreisky zuvor mit Regierungsschaum eingeseift worden war). Oder < erst kürzlich, als er vorschlug, die I Beamten sollten auf Dienstreisen sparsamer sein. Motto: Dort ein Tausender, da ein Hunderter. Natur- ' liCh, wer den Groschen nicht ehrt... , und so weiter.j

Noch ein Aspekt darf hier nicht < fehlen: Die Regierung scheint dar- i anzugehen, die präliminierten Aus- ',gaben im Budgetvoranschlag zu Hausnummern abzuwerten. Da wird offenbar irgend etwas hineingeschrieben, was dann im Endeffekt doppelt und dreifach überschritten wird. Verschleierungstaktik, falsche Bescheidenheit oder ein Maßstab dafür, wie- hoch die Regierung die Kontrolltätigkeit der Volksvertretung einschätzt? Einerlei: Bei einem derartigen Uberschreiten der Voranschläge ist die Regierung jedermann, dem Parlament und der Öffentlichkeit, Rechenschaft schuldig.

In der Realität ist aber Kreisky nicht einmal gewillt, im Parteivorstand der SPÖ Rechenschaft abzulegen. Er reagiert gereizt und hält auch nicht mit plumpen Drohungen hinter dem Berg.

Kreisky hatte die Stirn, vor Journalisten zu erklären: „Man sollte das aber nicht auf die Frage der Steuergelder zurückführen. Denn dann wird man auch die Steuerzahler fragen müssen, ob sie Millionen für die Zeitungen zahlen wollen ... Das wollen sie nämlich nicht!“ Abgesehen davon, daß die Bevölkerung aller Voraussicht nach mehr Verständnis für die Bewahrung der Vielfalt der Medien und der Freiheit von Meinung und Information haben dürfte als für die aus sämtlichen Nähten platzenden Spesenrechnungen der obersten Staatsdiener, ist solch eine Ansicht schlicht eine Ungeheuerlichkeit.

Nun noch ein paar Worte an die Adresse der Neidgenossen: Wer Gefühle mobilisiert, spielt mit dem Feuer. Emotionen haben auch in der Vergangenheit unseres Landes niemals den Weg nach oben gezeigt. Im Gegenteil. Oft genug war das Spiel mit der Emotion aller Übel Anfang. Das Züchten der Neidgenossenschaft trägt keinen Strich zu einer sachlich einwandfreien Lösung bei. Es behindert sie.

Durch Gefühle aufgestachelt, geht der klare Blick für ausgewogene Antworten verloren. Für ausgewogene Antworten etwa auf die Frage nach dem Verhältnis von Verantwortlichkeit, Leistung, Freiheit und Risiko. Ein typisches Beispiel hiezu ist die Frage der Gehälter von Primarärzten oder Zahnärzten. Eine Zahl steht im Raum, in 50.000- oder 100.000-Schilling-Sphären. Aber nicht alle Primarii beziehen mehrere 100.000 Schilling pro Monat; nicht alle „beschummeln“ den Finanzminister. Sie beziehen keine 14 oder 15 Gehälter wie im öffentlichen Dienst und vor allem: sie tragen neben allen Annehmlichkeiten des freien Berufes auch ein großes Risiko, das ihnen niemand abnehmen kann.

Und so ist es auch bei den „Spesenrittern“: Bei aller Härte in der Aufdeckung unmäßiger Repräsentationen muß die Lage differenziert beurteilt werden. Ohne sich zum Richter über Sein und Nichtsein aufspielen zu wollen: Der gesunde Menschenverstand sollte doch eine einigermaßen eindeutige Grenzziehung erlauben. Auch ÖVP-Minister sind in den 25 Jahren ihrer Regentschaft nicht mit dem Fahrrad der Tochter zum Dienst gefahren, haben ausländische Staatsgäste nicht zum Wür-ätelstand gebeten.

Die Moral aus der Geschieht': Schlechte Zensuren für die Neidgenossen, schlechte Zensuren für die Regierung. Letztere hat lange genug n Verkennung und Verkehrung einer alten Spruchweisheit nach dem Motto gehandelt: Spare (erst) in der Not, denn dann hast du Zeit dazu...

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