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Die Journalisten verlieren Ansehen

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Nenning kann Journalistenpräsident nur- mit „rechter" Hilfe bleiben. Das Ansehen der Journalisten sinkt. Sie sind darüber beleidigt. Die Dritte Welt aber ist es über sie.

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Nenning kann Journalistenpräsident nur- mit „rechter" Hilfe bleiben. Das Ansehen der Journalisten sinkt. Sie sind darüber beleidigt. Die Dritte Welt aber ist es über sie.

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Hannes Schopf, Innenpolitiker und Chefredakteurstellvertreter der FURCHE, seit kurzem Bundesobmann der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) in der Journalistengewerkschaft, ist kürzlich zum (gewerkschaftlichen) Obmann der Bundesfachgruppe Wochenzeitungen gewählt worden.

Das freut uns. Vorkommnisse rund um die jüngsten und die

noch bevorstehenden Gewerkschaftswahlen freuen nicht alle und sind vor allem nicht einmal für alle Mitglieder durchschaubar.

Aufsehen erregte es, als beim Landessektionstag der gewerkschaftlich organisierten Journalisten Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlandes am 20. Jänner der Sozialist Günther Nenning nur mit massiver Unterstützung auch von FCG und unabhängigen Journalisten wieder als Landesobmann durchgebracht werden konnte.

Im ersten Wahlgang hatte er von 289 gültigen Stimmen nur 103 enthalten; 101 schaffte „profil"-Redakteur Erhard Stackl mit einer Liste, die neben Unabhängigen auch Linke und Extremlinke umfaßte, denen Nenning ein zu großer Kompromißler und sozialpartnerschaftlicher „Packler" geworden war.

Daß Nenning selber viele von jenen, denen er heute zuwenig radikal ist, in die Journalistengewerkschaft gebracht hatte, wird intern zugegeben, durfte aber das

weitere Verhalten der Unabhängigen und Christgewerkschafter, die für ihren Spitzenkandidaten Gerold Christian („Salzburger Nachrichten") im ersten Wahlgang nur 85 Stimmen aufgebracht hatten, nicht bestimmen. (Wohl aber soHte es die Konsequenz haben, daß sich endlich auch mehr christlich orientierte Journalisten gewerkschaftlich engagieren.)

Die Überlegung war nun die: Gehen die Gruppen Nenning, Stackl und Christian getrennt auch in die Bundessektionswahl am 10. März, dann kommt es wieder wie in früheren Jahren zu einer Stichwahl für den Präsidenten der Journalistengewerkschaft zwischen Nenning und Christian. Schwenken Stackl-Linke dann doch zu Nenning über, muß ihnen dieser einen Preis bezahlen — etwa in der Person des Gewerkschaftssekretärs, der bisher ein Christgewerkschafter war.

Um das zu verhindern, bildeten Nenning-Sozialisten, FCG-Ge-werkschafter und Unabhängige eine Koalitionsliste, so daß nun Nenning gegen Stackl antreten wird, damit wohl im ersten Wahlgang siegen — und vom neuen Vorstand der Christgewerkschafter Michael Kress als Sekretär bestellt werden dürfte.

Große Politik in der vergleichsweise kleinen Journalistengewerkschaft ... Bei den Wahlen in der Fachgruppe Wochenzeitungen wurde dafür gewissermaßen der Probegalopp gelaufen, als die Namensliste Schopf, auf der auch Nenning kandidierte, mit 37:26 gegenüber einer zweiten Namensliste erfolgreich blieb.

Wenn die Wahlen vorbei sind und der Gewerkschaftsalltag wieder beginnt, werden die neu gewählten Funktionäre freilich nicht vergessen dürfen, daß es außer Tarifvertragsverhandlun-gen über Zehntelprozentpunkte andere und mindestens ebenso wichtige Aufgaben zu erfüllen gibt.

Das Ansehen der Journalisten ist nicht gerade hoch, die Tendenz zielt nicht gerade nach oben,

und der Mangel an Respekt ist nicht gerade unverdient.

Schlampige Recherchen, Vordergründigkeit der Berichterstattung durch permanente Personalisierung und Skandalisierung, in Ausnahmefällen offener Medienterror kennzeichnet so manche Fehlleistung auch in diesem Land.

Sagt dann einmal einer, wie dieser Tage der Sozialforscher Fritz Plasser, den Journalisten die

Wahrheit ins Gesicht — daß die Medien Parteien und Politiker in die Rolle von Zirkusveranstaltern und Sprechblasen stammelnden Schauspielern drängen -, dann heulen die Kritisierten beleidigt auf, statt sich mit Sachargumenten dem fälligen Dialog mit Politik und Wissenschaft zu stellen.

Ein gewisser Qualitätsverfall im Journalismus ist international zu beobachten. Daß die „Washington Post" im Vorjahr einen Pulitzer-Preis zurückgeben mußte, weil die prämiierte Story frei erfunden war, ist noch in Erinnerung. Vor kurzem erst ist die „New York Times" in der gleichen Weise dem Erfinder einer Kambodscha-„Reportage" aufgesessen.

Trotzdem bleiben solche Vorkommnisse wirklich Einzelfälle. Tägliches Brot aber ist der verächtliche Umgang mit Meldungen aus der Dritten Welt.

Weil 90 Prozent dieser Meldungen über die fünf Weltagenturen AP, UPI, Reuters, Agence France Press und Tass laufen, weil der Informationsfluß überwiegend einseitig und eindimensional ist und die Entwicklungsländer sich nach dem Prinzip „Nur schlechte Nachrichten sind für die Medien gute Nachrichten" mißrepräsentiert fühlen, streben sie seit Jahren eine „neue internationale In-formations- und Kommunikationsordnung" an.

Sie tun es teilweise mit untauglichen, ja gefährlichen Vorschlägen. Trotzdem verdient das Vorhaben mehr als jene verächtliche Uninteressiertheit, die ihm seitens der meisten Medien in den Industriestaaten entgegengebracht wird.

Auch ein von der österreichischen UNESCO-Kommission, dem Publizistikinstitut der Universität Salzburg und dem ORF-Landesstudio Oberösterreich dieser Tage in Linz veranstaltetes Seminar (auf das die FURCHE zurückkommen wird) wies dieses Desinteresse aus.

Die Journalistenriege glänzt durch bloße Geistesanwesenheit in papierenen Präsenzlisten und klagt dann über theoretisch anmutende Ergebnisse von Theoretikerdiskussionen ...

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