Rot-Grün-Schwarz-(Hellblauer) "Wurschtl"

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Schillernde Persönlichkeit" - das sagt sich leicht. Im Falle des Anfang dieser Woche verstorbenen Günther Nenning wäre es eine glatte Untertreibung; oder aber: wenn man Nenning "schillernd" nennt, muss man künftig mit diesem Attribut sehr sparsam umgehen.

Dass Politiker aller Couleurs bei Todesfällen von Prominenten würdigende Worte finden, ist bekannt. Aber bei Nenning haben sie sich vermutlich weniger verbiegen müssen als sonst: An ihm, der sich einmal als "Rot-Grün-Hellschwarzer" bezeichnet hat, konnten sie alle etwas finden: Wolfgang Schüssel den "wachen und beherzten Publizisten", Alfred Gusenbauer die (ursprüngliche) Verbundenheit Nennings mit Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung, Alexander Van der Bellen den Umweltaktivisten - "Auhirsch" - der ersten Stunde. Und dem Nicht-Rotgrünhellschwarzen Heinz-Christian Strache bleibt noch der "unkonventionelle Vor-und Nachdenker", der "sich nie vor einen parteipolitischen Karren spannen ließ" (also ein Begierde-oder Krypto-Blauer, meint Strache wohl).

Kein Wunder bei jemandem, der im Lauf der Jahrzehnte fast alle Medien des deutschen Sprachraums bedient hat. Kein Wunder auch bei einem, der von tiefrot über rot-grün bis grün-schwarz, von links-bis (beinahe) bigott-katholisch, von liberal-intellektuell bis bodenständig-kleinleutselig fast alles irgendwann einmal und vieles davon auch gleichzeitig war.

Staberl-Nachfolger

Aus seinen letzten Jahren wird er vor allem als Kolumnist der Kronen Zeitung in Erinnerung bleiben. Dass er in dem Blatt die Nachfolge des unsäglichen Richard Nimmerrichter alias "Staberl" angetreten hat, hat ihn für die einen endgültig diskreditiert, für die anderen zum publizistischen Helden gemacht - und nicht wenige Krone-Leser haben vielleicht jene Untiefen vermisst, die Nenning doch vermieden, Nimmerrichter aber stets schamlos durchwatet hat.

Der in einem sozialdemokratischen Elternhaus am 21. Dezember 1921 in Wien geborene Günther Nenning wurde nach der Matura in die Deutsche Wehrmacht eingezogen, nach der us-Gefangenschaft studierte er in Graz Sprach-und Religionswissenschaften, später auch noch Politikwissenschaften. Seine journalistische Laufbahn begann er beim steirischen sp-Organ Neue Zeit, ab 1958 war er Mitherausgeber von Friedrich Torbergs Forum in Wien. 1965 übernahm er die Zeitschrift und führte sie bis zur Einstellung 1979 als Neues Forum weiter. Der doppelte Doktor war überdies einer der herausragenden Moderatoren der legendären orf-Diskussionssendung Club 2.

Bruno Kreisky titulierte den roten Dissidenten einmal als "Wurschtl" - dessen Engagement gegen das Kraftwerk Hainburg verziehen ihm die sp-und ögb-Granden nie; 1985 wurde er aus Partei und Gewerkschaft ausgeschlossen.

Zuletzt - im Jubiläumsjahr 2005 - ist Nenning mit der Herausgabe des vieldiskutierten "Austrokoffers" hervorgetreten. Bei der Zusammenstellung eines Querschnitts der österreichischen Literatur im Auftrag der Regierung - schließlich als "Landvermessung" veröffentlicht - holte sich Nenning bei etlichen Autoren, wie etwa Elfriede Jelinek, eine Abfuhr. RM/APA

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