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Sogar im Taxi

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Die „Arbeiter-Zeitung“ war zu früh nervös; unter der Uberschrift „ÖVP-Journalisten gegen Nenning“ v/ähnte sie eine geschlossene Aktion der Fraktion christlicher Gewerkschafter, die den bisherigen Sekretär der Journalistengewerkschaft, Erich Ernegger, zur Wahl stellte. Die Wahl am 11. März 1974 brachte jedoch erneut eine Mehrheit für den „Forum“-Herrn.

Immerhin, die „Wiener Wahlen“ waren bereits ein starkes Indiz, daß der eskapadenreiche Doktor Doktor offensichtlich bereits ziemlich stark in die Schußlinie der eigenen Kollegen geraten ist. Zum ersten Male stellte sich überhaupt ein Gegenkandidat und konnte dieser über ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen. Wie sehr Nenninigs Freunde (unbegründeterweise, wie sich später herausstellte) besorgt waren, zeigte sich in der Tatsache, daß noch während der Stimmenauszählung Redakteure der „Arbeiter-Zeitung“ in Taxis zur Wahlstätte gebracht wurden.

Als Gewerkschafter, das geben auch Nennings Gegner zu, ist der schillernde Intellektuelle fast unumstritten, da er mangels einer ihn auslastenden journalistischen Tätigkeit viel Zeit für gewerkschaftliche Arbeit erübrigen kann. Dennoch ist er durch seine Eskapaden und sein Sektierertum bereits auch vielen seiner politischen Freunde suspekt geworden.

So war sein Name im Impressum eines Flugblattes von Innsbrucker Studenten zu finden. Die „Tiroler Tageszeitung“, die dieses skurrile Detail aufgriff, hatte jedoch nicht mit der Kampfeslust ihres Präsidenten gerechnet. In einem zweiten Flugblatt beschimpfte Nenning die Redakteure der „TT'1 kollektiv als Reaktionäre. Ein Mißtrauensantrag der Tiroler Landesgruppe blieb jedoch ebenso erfolglos wie ein von den „Salzburger Nachrichten“ eingebrachtes Mißtrauensvotum im Anschluß an Nennings klägliche „Vorstellung“ anläßlich des Salzburger Nixon-Besuches.

Nennings trauriges verdienst ist es, das ehemals auf einem hohen intellektuellen Niveau stehende „FORUM“ zu einem albernen Linksblätt-chen herabgewirtschaftet zu haben, das den Titel „Forum“ zweifellos nicht mehr verdient und die wenigen guten Journalisten, die es in den letzten Jahren noch hatte, mittlerweile auch vergrämt hat.

Nenning, sich dieser betrüblichen Tatsache innerlich bewußt, versucht, aus dem „intellektuellen Getto“ auszubrechen und ging an die Gründung einer Zeitschrift für „breite Kreise junger Menschen“. Finanzierungsprobleme brachten ihn dazu, der SPÖ das Blättchen als eine Art Jungwählerpostille schmackhaft zu machen, denn die „Neue Freie Presse“ sollte „der SPÖ kritische Unterstützung im Hinblick auf die Nationalratswahlen 1975“ besorgen, dazu sollte ein Mischmasch aus Sex, Aufklärung, Pop, Porno und vielen (schlechten) Comic strips treten. Fast die gesainte Redaktion des „Neuen Forums“ distanzierte sich nach Erscheinen der ersten Auagabe der „NFP“ von dem Produkt und der Streit zwischen den Redakteuren und Günther Nenning ist bislang immer noch nicht beigelegt. Dennoch konnten auch geschmalzene Subventionen der linken Reichshälfte (z. T. als Subventionen der öffentlichen Hand!) an zwei Dingen nicht rütteln:

• die „NFP“ produziert ein gewaltiges Defizit und

• wird nicht von den Altersstufen gelesen, für die sie angeblich produziert werden sollte. Offensichtlich ist die österreichische Jugend viel besser als ihr Ruf, denn die rund 8000 verkauften Exemplare pro Ausgabe werden in erster Linie von älteren Mitbürgern erstanden.

Eingeweihte rechnen dennoch damit, daß im Mai Nenning als Präsident der Journalistengewerkschaft bestätigt werden wird, „da die sozialistischen Delegierten in der Überzahl sind“.

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