Ursünde des Rassismus

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Ein jüdischer Blick auf die Rassismus-Debatte in den USA.

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Ein jüdischer Blick auf die Rassismus-Debatte in den USA.

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Wer in den USA offene Augen und ein offenes Herz hat, kann dieser Tage leicht den Glauben verlieren – oder ihn wiederfinden. Die Unterdrückung weiter Teile der schwarzen Bevölkerung konnte jeder sehen, bevor die jüngsten gewaltsamen Todesfälle sie drastisch zeigten. Es wächst die Einsicht, dass Rassismus die Ursünde dieses sich selbst verklärenden Landes ist. Immer mehr Stimmen fordern grundlegende Veränderungen, auch die meisten wichtigen jüdischen Organisationen. „Wir können nicht schweigen“ zur langen und schmerzhaften Geschichte von Rassismus und Gewalt gegen Schwar­ze, erklärte die „Association for Jewish Studies“.

Dabei ist die Geschichte von Schwarzen und Juden in den USA kompliziert, allein in den letzten 70 Jahren. Die schwarze Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 60er Jahre wurde lange von vielen Juden unterstützt. Diese Allianz zerbrach Ende der 60er Jahre, als sich die Bewegung radikalisierte, alle Weißen als Gegner sah und den Staat Israel als Verbündeten des nach außen wie innen imperialistisch herrschenden US-Systems ablehnte. Viele Schwarze sahen sich von jüdischen Vermietern, Arbeitgebern, Lehrern und Ladenbesitzern dominiert, unterdrückt und ausgebeutet.

Konflikte gibt es noch heute, aber auch Einigkeit im Entsetzen über die Herzlosigkeit einer Minderheit von Weißen – die sich vom sehr Weißen Haus bestärkt fühlt. Donald Trump ließ friedliche Demonstranten gewaltsam aus dem Weg räumen, um für ein Foto vor einer Kirche zu posieren – mit Blick auf die Wahl im November und seine evangelikalen Unterstützer. Hätte er die Bibel, die er dabei falsch herum hielt, geöffnet, wäre er vielleicht auf den Satz gestoßen, den dieser Tage viele jüdische Organisationen zitieren (Lev 19,16): Steh nicht untätig daneben, wenn das Blut deines Nächsten vergossen wird.

Der Autor forscht zurzeit zu Jewish Studies an der Vanderbilt University, Nashville/USA.

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