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Heimat als Tiefe

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„Daheim" und „Unterhaltliche Erinnerungen", so steht es auf dem freundlich farbigen Umschlag von Hanns Korens neuestem Buch. Das klingt recht privat und einladend. Und wer Koren kennt, den liebenswerten väterlichen Menschen, dessen Gemüt und Gemütsamkeit weder durch die keineswegs immer erbaulichen Erfahrungen aus dem Wirken als Universitätsprofessor und als Politiker, noch durch die Wechselhaftigkeit persönlichen Erlebens Schaden erlitten haben, wird diese private Einladung gern annehmen.

Aber Koren, der Schriftsteller Koren, wendet sich nicht nur an seine Freunde. Seine von Wissen durchstrahlten und in reiner - fast möchte man sagen: kindlicher -Gläubigkeit vorgetragenen Gedanken und Erinnerungen müssen jeden berühren, der noch den Mut hat zu glauben, daß das, was einem „so unterwegs" begegnet, Sinn und Tiefe hat. Daß es eingebettet ist in einen begrenzten und doch unbegrenzba-ren treibenden Raum von Gegebenheiten und Bedingungen, die Vergangenes und Gegenwärtiges durchdringen.

„Daheim" ist Korens steirische Heimat, die Landschaft, ihre Menschen, ihre Gestalten und Gestaltungen in Sitten, Gewohnheiten, Tätigkeiten, im Alltag und in den gehobenen Zeiten von Feier und Fest. „Daheim" ist für Koren aber auch das Uberschreiten der Grenzen seiner Herkunft, der Weg durch die „alte Griesgasse" seines Geburtsortes Köflach, durch den „Magdalenatag" zu „Ferienfreuden", die allmähliche Ausweitung der Erlebnisse bis zur „Entdeckung der Weststeiermark", zum „Ad-monter Triptychon", zum „Kleinen - dämonischen - Nachtstück" und zu den scheinbaren Banalitäten des „Buschenschankes", von „Türken-stcrz" und „Kräutelei". Und „Daheim" ist auch die Fortsetzung und persönliche Verdichtung jener Betrachtungen, wie Koren sie mit seinem ersten Erinnerungsbuch, „Fahrt in die Heimat", 1946, knapp nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, vorgelegt hat.

Für seine Freunde und Schüler eröffnete er damals eine beglük-kende Art des Schauens und Erkundens jener „kleinen Dinge", um die es in der Wissenschaft der Volkskunde geht oder gehen sollte: etwa „Auf den Spuren eines alten Volksschauspiels" in der feinsinnigen Betrachtung von „Bauernbriefen", „Von alten Pflügen", von seltsamen Erscheinungen tief verwurzelten Glaubens und Aberglaubens oder im Erlebnis der Jahreszeiten und in der beseelten Erschließung von Orten und Landschaften. „Fahrt in die Heimat" ist in die neue Sammlung aufgenommen.

Wohltuend für den Kundigen wie für den unvoreingenommenen Leser ist es, daß der Erzähler den Wissenschaftler nicht verleugnet, ihn aber durch seine sprachlich überaus elegante, manchmal bis zum intim lächelnden Plauderton gesteigerte Ausdruckskraft überspielt. Ein volkskundliches Buch, wenn man will. Ein Volksbuch. Ein Hausbuch Tür Stadt und Land. Jedenfalls ein köstliches Geschenk für den, der, wie es Hanns Koren an anderer Stelle ausspricht, Heimat nicht als Enge, sondern als Tiefe empfindet.

DAHEIM. Unterhaltliche Erinnerungen. Von Hanns Koren, Verlag Styria, Graz-Wien-Köln 1980. Mit Zeichnungen von Franz Weiss. 170 Seilen. öS 178.-

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