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Hanns Korens Nachlese

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Ein überaus sympathisches, menschliches, ja weises Buch schrieb Hanns Koren, der nicht nur als Präsident des Steiermärkischen Landtages und emeritierter Ordinarius für Volkskunde, sondern mit Recht auch als Schriftsteller einen guten Namen genießt. Seine „Nachlese“ besteht aus zwei Teilen, „Momentaufnahmen“ und „Notizen zum Tag“.

Der Großvater „vom Vater her“ schwebt wie ein lichtes Traumbild vor des Lesers Augen und ist doch fest im Irdischen gegründet. Er ist eines von zwölf Bauernkindern aus der ehemaligen Südsteiermark. Mit zwanzig, mittellos und zu Fuß, ist er nach Köflach eingewandert, Eltern und Geschwister hat er nie mehr gesehen. Er verdingte sich zunächst als Fuhrknecht und ist, um heiraten zu können, im Kohlenrevier Hauer geworden, Schußmeister dann, und blieb es durch sein Leben. Die Frau ist ihm vorausgegangen, jetzt ist er fünfundsiebzig, er sitzt vor seinem Enkelsohn und sieht aus grundgütigen Augen gemütlich zu, wie der aus seiner Schale den Schlagrahm löffelt. Den Hut, den er nach Bauernart ständig am Kopf hat, legt er fromm zur Seite, kommt sein Teller Suppe oder ein Häferl Kaffee. Der Enkelsohn ist es dann, der sich nach mehr als sechzig Jahren dieses Großvaters erinnert. Mit der leiszarten Mächtigkeit eines reinen Gefühls macht er ihn uns lebendig. Wir Leser haben den Greis, der nie viel verlangt hat und dem deshalb wenig fehlt, nie wirklich vor Augen gehabt, aber wir lieben ihn plötzlich, wir ehren die Demut und Gottergebenheit in ihm, mit denen er sein schweres Dasein zufrieden ausgelebt hat.

Das ist eine von den „Momentaufnahmen“, mit denen Hanns Koren uns schon vor Jahren erfreut hat; mit zwölf Prosastücken hat er sie jetzt in seiner

„Nachlese“ erweitert. Sie sind in einer Sprache geschrieben, die an hohe Vorbilder gemahnt und doch durchaus bis in die letzte£>chwingung sein eigen ist, ganz ihm zugehörig. Aber nicht nur Volksgestalten aus seiner engeren Heimat sind es, die Koren lebensvoll in unsere Gegenwart stellt, mit der vollen Innigkeit dichterischer Beschwörung, auch große Gestalten aus Wissenschaft und Kunst läßt er aus ihrer Lebensabgeschiedenheit wieder auferstehen, den Theologen Romano Guardini etwa, den Maler und Graphiker Rudolf Szyszkowitz und den Korvettenkapitän Georg von Trapp, Ritter des Ma-ria-Theresien-Ordens, der uns auch als Vater der singenden „Trappfamilie“ bekannt und lieb geworden ist. In der Darstellung aller dieser Personen verschränkt Koren das hohe und niedere Dasein zu einer durchgehend lebensvollen Einheit und gibt uns damit ein höchstes Beispiel humaner Gesinnung.

Aus dieser Gesinnung kommen auch seine „Notizen zum Tag“. Ihr Anlaß ist aktuellem Geschehen entnommen, Betrachtung und Gestaltung heben sie jedoch aus Tag und Jahr heraus. Der bewahrende Sinn, der darin waltet, ist von der Helligkeit eines menschenfreundlichen Geistes überflutet. Er erhellt auch die Trauer, die uns da und dort überfallen mag, wenn uns der Autor plötzlich bewußt macht, wie durch Leichtfertigkeit und falsches Geltungsbedürfnis Unwiederbringliches verloren gehen kann. Auch sie bezeugen die poetische, unverwechselbare Handschrift des Autors.

NACHLESE. Von Hanns Koren. Verlag Styria, Graz 1978, 142 Seiten, öS 168.-.

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