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Heinrich Drimmels Singularität

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Nun, da deT am Allerseelentag verstorbene ehemalige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel in Ehren und Frieden begraben ist und von dem ihm nahestehenden Verbindungen und Personen feierlich verabschiedet wurde, erscheint es mir angebracht, angesichts dieses Verlustes noch einmal zu reflektieren, welch einzigartige Persönlichkeit mit Drimmel unser Land verlassen und uns verarmt zurückgelassen hat.

Drimmel war nicht nur ein Mann von unbeugsamer Festigkeit und Grundsatztreue, von eiserner Konsequenz im Leben und Sterben. In dieser Beziehung steht er zum Glück nicht allein da, hat er im politischen und intellektuellen Leben Österreichs Vorbilder und Gleichstrebende. Was ihn aber, mit diesen charakterlichen Stärken ausgestattet, zu einer singulären Erscheinung unseres politischen Lebens gemacht hat, war die kombinierte Fähigkeit, entschlossen zu handeln und doch auch auf höchstem Niveau zu formulieren.

Drimmel war ein Gestalter der österreichischen Gesellschaftsund Kulturwirklichkeit, als Unterrichtsminister war es ihm 1962 gelungen, die lange umkämpfte Schulverfassungsge-setzgebung unter Dach und Fach zu bringen. Obwohl als Ideologe der ÖVP und des CV allen Kompromissen mit dem Zeitgeist abhold, war er als Politiker und Mann der Koalition doch auch ein Meister der Taktik und des Kompromisses, alles zu seiner Zeit und an seinem Ort.

Er verschmähte es nicht, nachdem er freiwillig aus dem politischen Leben geschieden war, im selben Ministerium, dem er über ein Jahrzehnt als Chef vorgestanden war, als Beamter weiter- und auszudienen. Und als er als Beamter in Pension ging, begann erst seine eigentliche Laufbahn als Schriftsteller, der in den ihm verbleibenden knapp fünfzehn Jahren rund ein Dutzend Bücher schrieb, die die österreichische Geschichte in souveräner Meisterschaft darstellten und bilanzierten.

Drimmel hat sich mit Recht eine Lesergemeinde, die durch ihn an das Verständnis historischer Zusammenhänge herangeführt wurde, erobert. Während die meisten Politiker, die zur Feder griffen, nicht viel mehr als Pflichtübungen absolvierten und zustandebrachten, war Drimmel ein Mann der inhaltlich starken Aussage und der geschliffenen literarischen Form. Zum Glück hat er trotz schwerer persönlicher Schicksalsschläge bis zuletzt nicht den Versuch aufgegeben, seinem Leben ein Maximum an Wirkung, aber auch an Besinnung und Tiefgang abzugewinnen und anderen das zu vermitteln, was ihm klar und bewußt war.

Auch seine politischen Gegner verneigten sich schon zu seinen Lebzeiten vor ihm, so schrieb ihm Christian Broda nach seinem Abgang als Minister in der .Arbeiter-Zeitung" einen Nachruf, der seinesgleichen sucht. „Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem, wir werden nimmer seinesgleichen sehn."

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