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Besinnung auf die Mitte

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Die Rede, die Dr. Heinrich Drim-mel als Nothelfer der CDU/CSU vor den katholischen Männern Deutschlands in Bamberg gehalten und die die „Furche“ — dankenswerterweise mit einem zur Diskussion einladenden Vorspann — veröffentlicht hat, darf nicht unwidersprochen bleiben. Die Auseinandersetzung mit den in Bamberg entwickelten Thesen ist keineswegs bloß Sache der betroffenen und angegriffenen deutschen Persönlichkeiten und Gruppen, sondern auch die aller politisch interessierter Österreicher. Schließlich ist Dr. Drimmel nicht irgend jemand, über dessen ideologische Entgleisungen man zur Tagesordnung übergehen kann, sondern einer der maßgebendsten und profiliertesten Männer des öffentlichen Lebens unseres Landes, der früher als Unterrichtsminister und heute als Vizebürgermeister von Wien in prominenten Positionen tätig war und ist, die seinen Worten das Gewicht und den Nachdruck politischer Macht verleihen, einer politischen Macht, die morgen oder übermorgen leicht über ihre jetzigen Grenzen hinauswachsen könnte.

Freilich kann man sich als guter österreichischer Demokrat, der die Symptome einer Polarisierung der Kräfte und einer Dramatisierung des Konflikte in unserem Lande besorgt verfolgt und nach Möglichkelten einer Stärkung der Mitte Ausschau hält, die die Lehren der Vergangenheit ernst nimmt und nicht mehr den Weg der unversöhnlichen Frontstellung beschreiten will, eine solche politische Aufwertung Dr. Drlmmels nach seiner Bamberger Rede nicht mehr ohne weiteres wünschen, obwohl derselbe Dr. Drimmel noch am Klagenfurter Parteitag der ÖVP als Kandidat des koalitionsfreundlichen „Kernkreises“ dn Erscheinung trat. Dr. Drimmel sprengt den Rahmen unseres sich in eingefahrenen Geleigen bewegenden politischen Lebens, indem er seit Jahren versucht, dem oft recht trüben politischen Alltag unseres Landes Glanzlichter des Geistes aufzusetzen und die politischen Probleme in einem größeren, grundsätzlicheren Zusammenhang zu sehen und zu deuten.

Dr. Drimmel ist seit langem bemüht, so etwas wie eine Generallinie christlich-konservativer Politik auszuarbeiten, und ist in Verfolgung dieses Bemühens in seiner Partei auch als schöpferischer Programmatiker hervorgetreten. Man hat also allen Grund, die jeweiligen Ausführungien Dr. Drimmels mit Interesse zu verfolgen und aus ihnen Schlüsse auf Entwicklungstendenzen zu ziehen, zu deren Sprecher er sich macht, die er aber aus der gesellschaftlichen Realität seines Lagers empfängt. Wer die politischen Reden, Vorträge und Artikel dieses neben seiner Tagesarbeit geistig noch ungeheuer fruchtbaren Politikers Revue passieren läßt, wird den Eindruck erhalten, es hier mit einer geistigen Erscheinung zu tun zu haben, die prägend auf die Gedankenwelt einer großen politischen und weltanschaulichen Gemeinschaft wirkt, gleichzeitig aber als Seismograph und Artikulator der in dieser Gemeinschaft schwingenden und aufsteigenden Untertöne fungiert, wobei es im Einzelfell schwer zu entscheiden ist, ob es sich um die reproduzierende oder die instrumentierende Komponente handelt.

Zwei Konzepte und ein Mann

Ich habe schon 1682 im Schlußkapitel meines im Europa-Verlag erschienenen Buches „Begegnung und Auftrag“ ausführlich aufgezeigt, daß sich im programmatischen Denken Dr. Drimmels mindestens zwei Konzepte vorfinden, die gleichzeitig die Möglichkeiten darstellen, die konservativ-christlichen Kräfte, die der Gesellschaft von heute zur Verfügung stehen. Dr. Drimmel hat in den wechselnden Phasen seiner Entwicklung das ideologische Rüstzeug für beide Konzepte geliefert und ist in der Lage, je nach Bedarf auf eines dieser schon entwickelten Gesellschaftsbilder und Orientierungsnor-men zurückzugreifen. Das eine Konzept lautet, auf eine kurze, aber sicher nicht verzerrende Formel gebracht:

• Verbreiterung der geistigen und politischen Basis nach rechts.

• Kampf gegen alle Spielarten des „Sinistrisrnus“ (zu dem auch Linkskatholiken, Liberale und konservative Katholiken zählen, die sich nicht in eine Einheitsfront mit dem Inte-gralisten totalitärer Provenienz zwängen lassen wollen),

• Verbannung und Rückgängigmachung aller Fortschritts- und Freiheitstendenzen im eigenen Machtbereich, dagegen Förderung alles Ordnungsdenkens, das sich unter souveräner Außerachtlassung der Warnungen der hinter uns liegenden politischen Vergangenheit an gemeinsame rechte Wertvoretellungen, wie Abendland, Reich, Ganzheit, Antiliberalismus, Kampf gegen die Folgen der Französischen Revolution usw anlöhnt.

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