6895935-1980_11_04.jpg
Digital In Arbeit

Kein Bedarf für Abtreibklinik

19451960198020002020

Vier Monate, nachdem die SPÖ-Mehrheit in der Wiener Landesregierung der Abtreibklinik auf dem Wiener Fleischmarkt (FURCHE 44/1979) grünes Licht gegeben hatte, traf die Wiener Gesundheitsbehörde eine sensationelle Entscheidung: „Für Interruptionen ist... der Bedarf nicht gegeben, weil dadurch keine Verbesserung der medizinischen Versorgung der Wiener Bevölkerung zu erwarten ist." Diese Feststellung wird Gesundheitsminister Herbert Solcher und Wiens. Gesundheitsstadtrat Alois'Stacher noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.

19451960198020002020

Vier Monate, nachdem die SPÖ-Mehrheit in der Wiener Landesregierung der Abtreibklinik auf dem Wiener Fleischmarkt (FURCHE 44/1979) grünes Licht gegeben hatte, traf die Wiener Gesundheitsbehörde eine sensationelle Entscheidung: „Für Interruptionen ist... der Bedarf nicht gegeben, weil dadurch keine Verbesserung der medizinischen Versorgung der Wiener Bevölkerung zu erwarten ist." Diese Feststellung wird Gesundheitsminister Herbert Solcher und Wiens. Gesundheitsstadtrat Alois'Stacher noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.

Werbung
Werbung
Werbung

„Das war eine Verbeugung vor Saldier", interpretiert Gertrude Kubie-na, Gesundheitsstadt,rätin der Wiener ÖVP, das einstimmige Nein der Wiener Landesregierung zum Ansuchen der praktischen Ärztin Mihaela Radauer, in Wien-Fünfhaus ebenfalls eine Abtreibklinik einrichten zu können.

Radauer, „die Frau für den Im-port-Abortus" (FURCHE 39/1979), deponierte das Ansuchen für ihre Klinik, mit Standort in einem Bürogebäude in der Wiener Mariahilfer Straße 136, am 12. Februar 1979 bei der Gesundheitsbehörde.

Gleichzeitig startete die 41jährige geborene Rumänin bei Arztkollegen im In- und Ausland eine große Werbekampagne, bei der sie sich - unter Zusicherung von Provisionen für überwiesene Kundinnen - als Adresse für Schwangerschaftsabbrüche empfahl.

Dieser zweifache Verstoß gegen das Ärztegesetz, nach dem sowohl Werbung wie auch Provisionen verboten sind, wurde mit einer milden Disziplinarstrafe geahndet: Mit Erkenntnis des Disziplinarsehates beim Gesundheitsministerium vom

19. Mai 1979, ZI. DS 2/1978, wurde über Mihaela Radauer „die Disziplinarstrafe der Untersagung der Berufsausübung für die Dauer von drei Monaten unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren verhängt".

Mitten hinein in den einjährigen Uberlegungsprozeß der Wiener Gesundheitsbehörde platzte im September des Vorjahres die FURCHE, die das Radauer-Begehren mitsamt der Vorgeschichte aufdeckte. Der Erfolg: Aus dem ursprünglichen behördlichen Wohlwollen entwickelte sich ein Mißtrauen. Ein Mißtrauen, das auch in der Begründung des abschlägigen Bescheides an Radauer nachzulesen ist.

„Das Gesundheitsamt der Stadt Wien", heißt es dort, „hat sodann ... auf Grund dieser großangelegten Werbungsaktion für Interruptionen den Schluß gezogen, daß die Antragsstellerin die Durchführung japifttttai

von Interruptionen vor allem zum Anstaltszweck des angesuchten Ambulatoriums machen würde. Daher könne die Magistratsabteilung 15 ihr ursprüngliches positives Gutachten nicht aufrechterhalten ..."

Und zwei Seiten nachher findet man in diesem Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung an Radauer den Schlüsselsatz, dem weit über den Anlaßfall hinaus Bedeutung zukommt: „Für Interruptionen ist... der Bedarf nicht gegeben, weü dadurch keine Verbesserung der medizinischen Versorgung der Wiener Bevölkerung zu erwarten ist."

Wie Gertrude Kubiena dürfte ihn auch ihr SPÖ-Widerpart Alois Stacher überlesen haben. Diese von Rathausbeamten gedrechselte Formulierung präjudiziell die Wiener Behörden nicht nur für die Zukunft, sie könnte auch noch der bewilligten Fleischmarkt-Klinik zum Verhängnis werden.

Denn zwei Fakten stehen nunmehr fest: Erstens gibt es keinen Bedarf für eine Abtreibklinik. Zweitens ist - so Gesundheitsminister Salcher - der Betrieb einer reinen Abtreibklinik durch kein Gesetz gedeckt.

Nun fahndet Salcher auf Grund einer parlamentarischen Anfrage von ÖVP-Gesundheitssprecher Günther Wiesinger nach Argumenten, warum das Fleischmarkt-Ambulatorium nicht als Abtreibklinik zu definieren und damit nicht zu verbieten ist.

Dabei sind dem Gesundheitsminister sogar seine eigenen Parteifreunde in den Rücken gefallen. Das SPÖ-Vorfeldjournal „heute" bestätigt das, was Salcher unter Berufung auf Stacher energisch bestreitet: Beim Fleischmarkt-Ambulatorium handelt es sich um eine „ausschließlich Schwangerschaftsabbrüche praktizierende Klinik". Und „heute" muß es wissen: es sah sich am Wiener Fleischmarkt um und stellte fest, daß Ärzte „dort ausschließlich Schwangerschaftsabbrüche praktizieren und dabei gut verdienen".

Unglaubwürdige Zeugen?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung