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Lachen erlaubt

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Das Innenministerium hat offiziell jedem Bürger das Recht zugesprochen, über die Ausführungen eines Regierungsmitgliedes lachen zu dürfen. Ich finde das großzügig und demokratisch. Im Gegensatz zu anderen Regierungen, bei denen es in keinem Sinn etwas zu lachen gibt, haben wir damit Neuland betreten. Dem Satiriker wird Raum für gesunde und populäre Kritik gegeben.

Man sieht, daß wir unsere Regierung nicht zu den leicht zer-

brechlichen Gegenständen zählen, die man nur mit der größten Vorsicht angreifen darf.

Wir müssen nur in die Vergangenheit zurückblicken, um die befreiende Tragweite erwähnter ministerieller Erklärung zu erkennen und anzuerkennen. Besser eine Regierung, über die man lachen kann, als eine, bei der man sogar hur im geheimen weinen darf.

Wer lacht, hat mehr vom Leben, und offiziell ausgelacht werden ist ein Zeichen von Popularität Lachen unterscheidet den Menschen vom Tier. Seriös und feierlich kann jeder sein. Er muß müden natürlichen Kümmernissen der Zeit mit dem gebräuchlichen unnatürlichen Pathos begegnen.

Wenn man bedenkt, wie viele mächtige Hohlköpfe enthusiastisch gelobt werden, muß man den Entschluß bewundern, eventuell Unwürdiges mit Würde zu tragen. Enthusiasmus kann man organisieren, Lob kann man erkaufen, Lachen muß man sich verdienen.

Unter allen Spekulationen erweist sich die Spekulation auf die menschliche Dummheit noch im mer als die lukrativste. Deshalb nehmen ja auch die Wahrsager und Sterngucker in letzter Zeit in so erschreckendem Maße überhand. Sie vertiefen sich in Handflächen, Kaffeesatz und Gestirne, lassen Pendel schwingen und starren in Trance auf Kristallkugeln- so lange, bis ihre armen Opfer sich an den Kopf oder—vor allem - bis sie beeindruckt in die Tasche greifen.

Man erzählt sich von diesen „Wundergeschöpfen“ Phantastisches, das stets nur der Phantasie entspringt. Man vernimmt ferner, ihre Umsätze wären beträchtlich, sie betrügen Tausende jährlich. „Betrügen“ war in diesem Fall nur als Form von „betragen“ gesagt.

Sicher konnte man auch schon in normalen früheren Zeiten behaupten, daß bei jeder Million irgendeine anrüchige Null vorkam, aber bei der sechsten hatte man gewöhnlich schon vergessen, wie die fünfte entstanden war.

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