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,... moralisch recht bekommen'

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Franz Pichler, Gewerkschafter, Obmann der Gebietskrankenkasse für Niederösterreich und Nationalratsabgeordneter der SPÖ, brachte am 23. Mai 1978 im Nationalrat jene Gesetzesänderungen ein, die zum Ausschluß der im Betrieb mittätigen Familienangehörigen von der Interessenvertretung der Arbeitnehmer führen sollten. Die Verfassungsrichter haben diese Bestimmungen zur Gänze aufgehoben. Mit Franz Pichler sprach Alfred Grinschgl.

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Franz Pichler, Gewerkschafter, Obmann der Gebietskrankenkasse für Niederösterreich und Nationalratsabgeordneter der SPÖ, brachte am 23. Mai 1978 im Nationalrat jene Gesetzesänderungen ein, die zum Ausschluß der im Betrieb mittätigen Familienangehörigen von der Interessenvertretung der Arbeitnehmer führen sollten. Die Verfassungsrichter haben diese Bestimmungen zur Gänze aufgehoben. Mit Franz Pichler sprach Alfred Grinschgl.

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FURCHE: Was sagen Sie zur Entscheidung der Verfassungsrichter?

PICHLER: Ich bin überrascht, weil der Verfassungsgerichtshof die betreffenden Gesetzesbestimmungen zur Gänze aufgehoben hat, ohne die Auswirkungen im Bereich der Interessenvertretungen im Detail zu würdigen. Der Verfassungsgerichtshof hat ja selbst darauf hingewiesen, daß das Familienband typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos, eine Interessenparallelität mit sich bringt. Damit haben wir moralisch recht bekommen ..., aber sachlich ist nichts übrig geblieben. Es hätte sicherlich auch einen Mittelweg geben können: Wenn dem Verfassungsgerichtshof offensichtlich der betroffene Personenkreis zu weit gefaßt war, dann hätte es ja die Möglichkeit gegeben, den Personenkreis besser zu umreißen ..., enger zu fassen.

FURCHE: Werden Sie und Ihre Fraktion daran festhalten, daß die im Familienbetrieb tätigen nahen Verwandten der Unternehmer in der Interessenvertretung der Arbeitnehmer keinen Platz haben?

PICHLER: Ja, daran ändert die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nichts. Ein Beispiel: In einer Baustoffgroßhandlung in St. Pölten sind auch zwei Söhne der Inhaberin tätig. Jetzt mag mir jemand weißmachen, daß der Juniorchef dieselben Interessen hat wie jeder andere Arbeitnehmer. Der Juniorchef ist der zukünftige Erbe. Ich betone übrigens: Es geht ja nicht primär um das Wahlrecht, sondern um die Zugehörigkeit zur Interessenvertretung.

Daß wir mit unserer Überlegung richtig liegen, beweist ja auch ein Brief des Wirtschaftsbundobmannes des Bezirkes St. Veit an der Glan, Abgeordneter Gorton, an die Wirtschaftstreibenden seines Bezirkes. Am 17. September 1974, also kurz vor der letzten Arbeiterkammerwahl, appellierte Gorton an alle Wirtschaftstreibenden, ihre im Betrieb tätigen Familienangehörigen zur Wahl zu

schicken. Wörtlich hieß es in diesem Brief: „Wir bitten Sie daher höflich, dafür zu sorgen, daß Ihre Angehörigen unbedingt von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Es geht bei dieser Wahl darum, den Sozialisten mit dem Stimmzettel klarzumachen, daß ihre Wirtschafts- und Steuerpolitik, die vor allem die Klein- und Mittelbetriebe in ihrer Existenz gefährdet, von den selbständigen Erwerbstätigen nicht akzeptiert werden kann.“

FURCHE: Was wird Ihre Fraktion weiter unternehmen, um die im Betrieb mittätigen Familienangehörigen von der Interessenvertreung der Arbeitnehmer auszuschließen?

PICHLER: Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird zur Kenntnis genommen. Ob es später differenzierte Betrachtungen geben wird, weiß ich nicht.

FURCHE: Glauben Sie, daß der Erfolg des dem ÖAAB angehörenden Vorarlberger Arbeiterkammer-Präsidenten Bertram Jäger auf das Wahlrecht der zur Diskussion stehenden Familienangehörigen zurückzuführen war?

PICHLER: Ich glaube nicht, daß das wahlentscheidend war.

FURCHE: An der letzten Arbeiterkammerwahl beteiligten sich nur 64,3 Prozent der Wahlberechtigten. Stimmt es, daß insbesondere die mittätigen Familienangehörigen nicht zur Wahl gingen?

PICHLER: Der Prozentsatz der Wahlbeteiligung läßt manchen Schluß zu. Es ist durchaus möglich, daß Angehörige der Unternehmer, die vom ursprünglichen Gesetz betroffen gewesen wären, jetzt zusätzlich mobilisiert werden konnten. Es könnte auch sein, daß die Arbeiterkammer insgesamt stärker in den Blickpunkt gerückt ist. Wenn das zu einer stärkeren Beteiligung an der Arbeiterkammerwahl führt, würde sich die ganze Diskussion absolut positiv auswirken.

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