Die schwere Erkrankung des Generaloberen der Gesellschaft Jesu, Pater Pedro Ârrupes, wirft eine Reihe wichtiger Fragen für die Zukunft des größten Ordens der katholischen Kirche auf. Arrupe war am 7. August von einer zweiwöchigen Visitationsreise auf den Philippinen nach Rom zurückgekehrt, als sich eine Gehirnthrombose einstellte. Sie hatte Lähmungserschei- rtungen an der gesamten rechten Körperhälfte zu Folge. Eine rechtsseitige Gesichtslähmung nahm Arrupe fast zur Gänze die Fähigkeit zu sprechen.
Nach Beratung der drei Generalas: sistenten in Rom und nach telefonischer Kontaktaufnahme mit dem im Urlaub weilenden vierten Generalassistenten wurde dem erkrankten Generaloberen, den ordensrechtlichen Bestimmungen entsprechend, der Vorschlag unterbreitet, einen „vica- rius temporarius“ zu ernennen, das heißt einen Generalvika-r für die Dauer der schweren Erkrankung.
Pater Arrupe, der im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte ist, stimmte dem Vorschlag zu und betraute Pater Vincent T. O’Keefe, einen der vier Generalassisteriten, mit diesem Amt. Damit ist Pater O’Keefe „cum omnibus facultatibus ad gubernandam ad- mimistrandamque socfetatem neces- sariis“, d. h. „mit allen nötigen ’Vollmachten zur Leitung und zur Verwaltung der Gesellschaft (Jesu)“ ausgestattet, und zwar begrenzt für die Zeit der schweren Erkrankung des Generaloberen.
Diese Vollmacht geht über diejenige hinaus, die Pater O'Keefe bereits mehrmals erhalten hatte, wenn sich Pater Arrupe auf interkontinentale Reisen begab. Sie ist aber weniger als diejenige, die zum Beispiel Pater Irem Swain in den letzten Jahren der Regierung von Arrupes Vorgänger, Pater Johannes Janssens (gest. 1965), innehatte. Damals war im Orden keine rechtliche Vorkehrung für einen krankheits- oder altersbedingten Rücktritt des Generaloberen vorgesehen.
Da das vorrückende Alter und eine zunehmende Kränklichkeit Pater Janssens immer, stärker an der Ausübung seines Amtes hinderte, ernannte er damals den aus Kanada stammenden Jesuiten zu seinem Generalvi
kar mit allen Vollmachten eines Generaloberen.
Pater O’Keefe kann gegenwärtig zum Beispiel Provinzialobere einsetzen und nötigenfalls auch absetzen, er kann aber nicht aus eigener Vollmacht die Maßnahmen zur Einberufung einer Generalkongregation in die Wege leiten. Außerdem werden die üblichen moralischen Prinzipien in der Ausübung vorübergehender, stellvertretender Vollmachten gewisse Einschränkungen nahelegen.
Es ist daher nicht wahrscheinlich, daß Pater O’Keefe in absehbarer Zeit weitreichende und folgenschwere Entscheidungen treffen wird. Er hält mit Pater Arrupe engen Kontakt.
Wer ist Pater O’Keefe? Der jetzt 61jährige US-amerikanische Jesuit hat eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten. Seine Studien begann er in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und setzte sie in Löwen, Münster und an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom fort.
Bald nach seiner Priesterweihe (1950) begann er seine Laufbahn als Professor der Theologie in Woodstock und an der Fordham University in New York, deren Rektor er später wurde. Als 1965, während der 31. Generalkongregation, Pater Pedro Arrupe zum Generaloberen gewählt wurde, erhielt O’Keefe das Amt eines der vier Generalassistenten.
An dieser Stelle muß jedoch ein Zusatz angebracht werden: Bereits im Verlaufe des letzten Jahres’hat Pater Arrupe seinen Mitbrüdern die Absicht, von seinem Amt zurückzutreten, zur Prüfung vorgelegt. Die nach einer von Reformen, Hoffnungen und Enttäuschungen erfüllten 16jährigen Amtszeit angegriffene Gesundheit und die großen Schwierigkeiten, in denen sich der Orden gegenwärtig befindet, haben Pater Arrupe, der im November 74 Jahre alt wird, zu diesem Schritt veranlaßt.
Zudem hat Arrupe seine Rücktrittsabsicht auch dem Papst zur Prüfung vorgelegt, obwohl dies von den Or- densbestimmun’gen her nicht erforderlich war. Arrupe wollte damit ein Zeichen des unbedingten Gehorsams gegenüber dem Papst setzen. Der Papst jedoch bat Arrupe, vorläufig noch im Amt zu verbleiben.