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Jesuiten: Neuer Kurs ?

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Papst Johannes Paul II. hat einen persönlichen Delegaten mit der Vorbereitung der Neuwahl des Generaloberen beauftragt - die deutschsprachigen Jesuiten betonen, diese Maßnahme sei ohne Beispiel.

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Papst Johannes Paul II. hat einen persönlichen Delegaten mit der Vorbereitung der Neuwahl des Generaloberen beauftragt - die deutschsprachigen Jesuiten betonen, diese Maßnahme sei ohne Beispiel.

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Als zu Beginn des heurigen Jahres Giacomo Martegani SJ, langjähriger Chefredakteur der „Ci-viltä Cattolica“ und späterer Generaldirektor von Radio Vatikan, starb, versammelten sich -auch viele hohe geistliche Würdenträger am Sarg eines Mannes, dem Papst Pius XII. außergewöhnlich großes Vertrauen geschenkt hatte.

Die Predigt hielt ein 79jähriger Jesuit mit festen, eher verschlossen wirkenden Gesichtszügen. Seine Ausführungen waren gedanklich streng gegliedert und auf das Wesentliche begrenzt. Sein Auftreten zeigte die Brillanz eines außergewöhnlichen Menschen, der sich bis ins hohe Alter eine erstaunliche Vitalität zu erhalten vermochte.

Es war Paolo Dezza, langjähriger Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana, zweimaliger Kandidat für das Amt eines Generaloberen, Beichtvater und Berater zweier Päpste, Berater Johannes Pauls II.

Inmitten der Ehrengäste saß im Kirchenschiff der Generalobere des Ordens, Pedro Arrupe. Sein feines, ausdrucksvolles Gesicht wirkte blaß, fast wächsern. Sechzehn Jahre Ordensleitung sind nicht spurlos Vörübergegangen. Seine Vorstellungen von einem modernen Jesuiten deckten sich nicht ganz mit denen Dezzas.

Arrupe vertraute in seiner Amtsführung mehr auf Güte denn auf Strenge, mehr auf das Gespräch denn auf den Befehl, mehr auf das, was spontan und kreativ von der Basis hochkommt, als auf das, was wohldurchdacht und rechtlich sauber geschliffen von der Führung kommt.

Daß er damit keinen Liberalismus, kein Revoltieren und schon gar nicht unverbindliche Institutionsferne meinte, bezeugen seine vielen ausgezeichneten Briefe an

die Mitbrüder und seine vorbildliche, aufrichtige und vornehme Lebensführung.

Doch warum zog da und dort ein teils liberaler, teils revolutionärer, institutionsfeindlicher und recht unverbindlicher Geist bei den Jesuiten ein? Gerade dieser hatte die weltweite Kritik der Bischöfe hervorgerufen, die in den nach Rom eingesandten Berichten ihren Niederschlag fand.

Warum geriet die 32. Generalkongregation in der Frage des

vierten Gelübdes, des besonderen Papstgehorsams, das nur der Kerngruppe des Ordens Vorbehalten ist und diese von den übrigen Priestern unter den Jesuiten abhebt, mit Paul VI. auf Kollisionskurs? Warum schaffte die Ordensleitung nach dieser Generalkongregation die Unterschiede im Orden auf anderen Wegen dann doch weitgehend ab?

Seither hat sich die Krise im Orden weiter vertieft. In der Frage nach der Grundorientierung in Einsatz und Lebensführung zeigt sich bereits eine Aufsplitterung in ihehrere Gruppen. Für all das hat man Arrupe verantwortlich gemacht.

Doch die Krise im Orden, die in einem zahlenmäßigen Rückgang von 36.038 (1965) auf derzeit 26.622 Mitglieder einen deutlich sichtbaren Ausdruck findet, setzte bereits vor Arrupes Regierung ein. Seit 1951 verringerte sich der Zuwachs an Studenten kontinuierlich.

In der Gesellschaft Jesu mag sich manches, was die nachkonzi-liare Kirche insgesamt erschüttert, stärker zeigen. Vielleicht war Arrupe in diesen schweren Jahren

zu gut für manche seiner Mitbrüder. Vielleicht war er wie Angelo Roncalli der rechte Mann zur rechten Zeit. Vielleicht hat er die tatsächliche Führung im Orden zu sehr an Menschen seiner Umgebung delegiert, die einen anderen Kurs steuerten.

Wie dem auch immer sei, Arrupe hielt im August letzten Jahres die Zeit für gekommen, dem Papst seine Rücktrittsabsicht mitzuteilen. Doch der Papst nahm nicht an. Warum? Erst Mitte Oktober dieses Jahres erfuhr die Öffentlichkeit (und erfuhren auch die Mitbrüder) den wahren Grund: die Gesellschaft Jesu müsse viel gründlicher auf eine Generalkongregation — aus welcher Arrupes Nachfolger hervorgehen soll — vorbereitet werden.

Nach der schweren und wohl nicht mehr vollständig heilbaren Erkrankung Arrupes im August dieses Jahres beauftragte der Papst den eingangs erwähnten, fast 80jährigen Paolo Dezza als seinen persönlichen Delegaten mit allen Vollmachten zur Leitung des Ordens. Insbesondere soll er die Generalkongregation vorbereiten und „zu gegebener Zeit“ einberufen.

Mit gleicher Verfügung erhielt Dezza den 53jährigen Italiener Giuseppe Pittau als Assistenten. Nach einer glänzenden Ausbildung wirkte Pittau seit 25 Jahren in Japan als Professor und später auch als Rektor der Sophien-Uni-versität. Wenige Monate vor seiner Ernennung zum Assistenten war er zum Provinzial der japanischen Provinz ernannt worden.

Wie wird der Orden insgesamt auf die sich bereits abzeichnende Kursänderung reagieren? Wird er, wie es die drei letzten Päpste wollten, seine Identität wiederfinden? Wird er sich aufspalten? Erst die Zukunft wird es erweisen.

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