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Glaubwürdigkeit des Ordens

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Der neue Generalobere der Gesellschaft Jesu, Pedro Arrupe, wird auf Lebenszeit im Amt bleiben — sofern nicht „Krankheit, vorgerücktes Alter oder beträchtlicher Kräfteschwund ihn unfähig machen, seine Amtsaufgaben zu erfüllen“. So steht es im Schlußkommunique über die erste Sitzungsperiode der XXXI. Generalkongregation des Jesuitenordens, die nach 49 Vollversammlungen in 70 Tagen vor kurzem in der Ordenszentrale in Rom beendet wurde.

Als die Mehrheit der Generalkongregation dem Basken Arrupe Ende Mai ihre Stimme gab, wußte sie nicht, ob sie ihn auf Lebenszeit oder nur für eine bestimmte Amtsdauer zum General berief. Erst nach erfolgter Wahl wurde die Frage der Amtsdauer zu Ende diskutiert — mit dem Ergebnis, daß das Generalsamt auch weiterhin grundsätzlich auf Lebenszeit gilt. Neue Dispositionen sollen jedoch bei einer aktiven oder passiven Resignation das Gespenst eines durch Krankheit, Altersschwäche oder sonstige Umstände unfähig gewordenen, aber kraft Ordensregel bis zu seinem Lebensende amtierenden Generals, bannen.

Auf eine größere Beweglichkeit der Ordensleitung zielt noch eine weitere Maßnahme ab, die von der entsprechenden Kommission (Sekretär: P. Anton Pinsker von der österreichischen Provinz) vorbereitet und von der Generalkonkregation beschlossen wurde. Sie ist keine Neuerung, sondern greift zurück auf die ursprüngliche Idee des Ordensgründers Ignatius. Dem General wurden vier „funktionelle“ Generalassistenten beigegeben: der Italiener Dezza, der Nordamerikaner O'Keefe, der Kanadier Swain und der Exilungar Varga. Sie vertreten die Ge-samtgesellschaft beim General und bilden zugleich mit ihm zusammen eine Art Kabinett.

Nur mehr Verwaltungsbeamte

Daneben ist die Institution der — elf — Regionalassistenten in der Ordenszentrale geblieben. Ihre Bedeutung wurde aber beträchtlich vermindert, da sie nicht mehr, wie bisher, den Rat des Generals bilden, sondern — laut Schlußkommunique — ein „Hilfskorps“ sein sollen, das dem Ordensoberen und seinen vier Generalassistenten bei der Abwicklung der Geschäfte der elf, nach geographischen Gesichtspunkten umschriebenen, „Assistenzen“ des Ordens beisteht. Die Regionalassistenten sind also zu reinen Verwaltungsbeamten geworden. Der Wille der Generalkongregation, sie zu „entmachten“, wird noch deutlicher durch den Beschluß, daß der General ermächtigt sei, den Obern der einzelnen Ordensprovinzen größere Vollmachten zu erteilen.

Weitere Ergebnisse der

XXXI. SJ-Generalkongregation sind mehrere Dekrete, deren Promulgation für die nächste Zeit angekündigt wird: über die Ausbildung des Ordensnachwuchses, die modernen Kommunikationsmittel, das Sozialapostolat, den Atheismus sowie über Geist und Praxis der evangelischen Armut im Orden.

Atheismus — ständig gegenwärtig

Dem Phänomen des Atheismus widmete die Generalkonkregation besondere Aufmerksamkeit, getreu dem Auftrag, der ihr von Papst Paul vor ihrem Zusammentreten gegeben wurde. Das oberste Organ des Ordens sah sich veranlaßt, in einem eigenen und umfangreichen Dekret den Ordensmitgliedern zu empfehlen, sich eine bessere Kenntnis des Atheismus, seiner verschiedenen Formen, seiner Ursachen und seiner eigenen Begründung zu verschaffen. Das Dekret verweist wiederholt auf die von Paul VI. in seiner Antrittsenzyklika „Ecclesiam Suam“ erteilten Direktiven über das Problem des Atheismus und die Möglichkeiten und Schwierigkeiten eines Dialogs mit den Atheisten.

„Die Jesuiten“, faßt das Schlußkommunique die Empfehlungen des Dekrets zusammen, „müssen dem Atheismus entgegenwirken mit dem Einsatz ihres geistigen Lebens und in ihrer ganzen Handlungsweise: durch echten Sinn für Gott, durch klare Darstellung Gottes, durch die Übersetzung des christlichen Glaubens in ein Leben vollkommener und aufrichtiger Liebe. Die jungen Jesuiten sollen während ihrer ganzen Ausbildung das Problem des Atheismus gegenwärtig haben; es soll eine ihrer Hauptsorgen sein. Diese Sorge soll das ganze traditionelle apostolische Wirken der Gesellschaft durchdringen, gleichzeitig aber auch neue Initiativen für eine apostolische Kontaktaufnahme mit den Ungläubigen schaffen.“ Die vom Papst gestellte Aufgabe des Widerstandes gegen den Atheismus müsse aber „rein apostolisch und nicht im geringsten politisch“ verstanden werden.

Das Dekret über die Ausbildung des Ordensnachwuchses unterstreicht zunächst die apostolische Zielsetzung jeglicher Ausbüdung und zeichnet dann die Grundlinien der Ausbildungsmethoden. Hauptsorge müsse sein, allen Angehörigen der Gesellschaft Jesu eine solide Allgemeinbildung und den einzelnen die erforderliche Spezialisierung für die verschiedenen Ämter und Dienste zu vermitteln. Bei aller Einheitlichkeit der Ausbildungsmethoden dürfe der ausreichende Spielraum für die Erfordernisse der verschiedenen Nationen, Kulturen und Riten nicht mangeln.

Das Sozialapostolat der Jesuiten soll sich nach dem Willen der Generalkongregation künftig hauptsächlich auf die neuen sozialen Probleme konzentrieren: namentlich auf die Probleme, die aus der Diskrepanz zwischen hochentwickelten und noch in der Entwicklung stehenden Völkern und Nationen folgen, sowie auf die in der Rassendiskriminierung basierenden Ungerechtigkeiten.

Nachdrücklich fordert die Generalkongregation, daß die Ordensangehörigen in den großen internationalen Organisationen mitarbeiten.

Mitarbeit bei internationalen Organisationen

Das Dekret über die Armut sei „vom Gesichtspunkt des internen Ordenslebens aus“ sehr bedeutsam, meint das Schlußkommunique. Die Glaubwürdigkeit eines Ordens, der von seinen Mitgliedern das Armutsgelübde fordert, wird gerade heute wesentlich davon abhängen, wie er sich im Geist und in der Praxis zu diesem Gelübde stellt.

Das Dekret, das jetzt promulgiert werden soll, zieht endlich die Grundlinien für ein „aggiornamento“ der Ordensregel zu diesem Thema. Laut Schlußkommunique wird durch das Dekret den Zeichen der Zeit entsprochen, um „den Sinn und die evangelische, religiöse und apostolische Inspiration der Armut in der notwendigen Anpassung an die Veränderungen der Lage zu festigen, die die buchstabengetreue Anwendung einiger Normen nicht mehr ermöglichten“. Was nun aber konkret gesagt wird, geht aus den Stichwort' artigen Angaben des Kommuniques nicht hervor. So bleibt nur das eigentliche Dekret abzuwarten.

Die größere Hälfte kommt erst

Das Ergebnis der ersten Sitzungsperiode der XXXI. Generalkongre-gation der Gesellschaft Jesu ist gewiß beachtlich. Trotzdem ist von der Problematik und von der Stoffülle her noch nicht Halbzeit. Der Großteil der Themen, deren Behandlung durch die Generalkongregation von Ordensmitgliedern „postuliert“ worden ist, wurde auf die zweite Session vertagt. .Der Bogen dieser Themen spannt sich von der Frage des „usus tabäci“ bis zu den Postulaten, die auf eine grundlegende Ordensreform abzielen. Viele Fragen des „aggiornamento“ des Ordens sind jedoch erst zu beantworten, wenn sich das Konzil in allgemeingültiger Form dazu geäußert hat. Deswegen ist die Generalkongregation — bisher einmaliges Faktum in der vierhundertjährigen Geschichte des Ordens — vom römischen Sommer in den konziliären Herbst vertagt worden und wird Mitte September 1966 wieder zusammentreten, um dann die Früchte des Konzils ernten und verwerten zu können.

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