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P. General Johannes B. Janssens t

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Am 5. Oktober starb um die Mittagszeit in einem kleinen Krankenzimmer des küsernenäHnlidhen Kurienbaus am Borgo Sto. Spirito in Rom der 27. General der Gesellschaft Jesu, P. Johannes B. Jans- sens. Es war „ein ganz gewöhnlicher Tod“, und die Welt nahm kaum Notiz von dem Hinscheiden dieses Mannes, der 18 Jahre lang die Geschicke eines der größten und vielleicht einflußreichsten Orden der Kirche geleitet hatte. Nur Papst Paul VI. ließ sich über den Zustand des Schwerkranken laufend unterrichten und besuchte ihn 20 Minuten vor seinem Tode persönlich am Sterbebett, um ihm den letzten Segen zu spenden. Und als der Sekretär des Konzils den versammelten Vätern die Todes-

nachricht brachte, standen sie auf, um gemeinsam das De profundis für den Hingegangenen zu beten. Wenige Stunden später aber war schon der Generalvikar mit der vorläufigen Amtsführung betraut, und die Arbeit im Hauptquartier des Jesuitenordens ging wieder ihren gewohnten Lauf.

Der Mann, in dessen Hand so viele Jahre eine Machtfülle lag, wie sie außer dem Heiligen Vater kaum ein Vertreter der Kirche besitzt, schien manchen vielleicht weniger dem Bild eines Jesuitengenerals zu entsprechen als sein imponierender Vorgänger P. Ledochowsky. P. Jarnsens war ein stiller und der Innerlichkeit zugewandter Mensch. Seine Laufbahn im Orden hatte er zwar als Professor des Kirchenrechtes in Löwen begonnen, und in dem spannungsgeladenen, unheilvollen Jahr 1938 wurde er zum Provinzial der Flämischen Provinz bestimmt, was immerhin auf die Tatkraft schließen läßt, die man ihm zutraute. Aber seine erste Adresse, die er nach der Generalswahl im Jahre 1946 an die gesamte Gesellschaft richtete, war ein Brief über die „Förderung des innerlichen Lebens“, der von mancher Seite mit großer Enttäuschung und innerer Kritik aufgenommen wurde. Man erwartete sich zu dieser Zeit, nach der langen Knebelung der Kirche im zweiten Weltkrieg, da alles im Aufbruch nach neuen Taten und in einem Fieber des Umorgani- sierens lag, etwas anderes als Richtlinie,

Aber P. Janssens verfolgte damit doch nur den Weg des Ordensstifters, der in einer nicht minder turbulenten Zeit jede Aktion durch die Kontemplation, genauer gesagt durch die Exerzitien, vorbereitete, und der es für das Wichtigste hielt, daß „das Instrument fest verbunden sei mit der Hand dessen, der es gebraucht“, wofür der Mensch des technischen Zeitalters eigentlich Verständnis haben müßte.

Auch später trat P. Janssens wenig hervor, und die in seiner Amtszeit abgehaltene Generalkongregation (es war die 36. seit dem Bestehen der Gesellschaft, die nicht nur zur Generalswahl, sondern zur Beratung von Gesetzen zusammentrat), von der sich besonders die Außenstehenden umstürzende Neuerungen erwarteten, ließ jedes Zeichen revolutionären Schwungs vermissen.

Dennoch machte der Orden während des Generalates P. Janssens eine ungestüme Entwicklung durch, und seine wenig eigenwillige, vermittelnde Art mag dieser Lage gar nicht so schlecht entsprochen haben. Seine Amtszeit ist vor allem durch ein gewaltiges Breitenwachstum des Ordens ausgezeichnet. Ein römischer Diplomat prägte das Wort, daß „während viele andere Orden an Nachwuchsmangel leiden, die Jesuiten sich Sorge über ihr zu rasches Wachstum machen.“ In diesen zwei Dezennien stieg die Zahl der Mit glieder von 28.000 auf 36.000 an, tos selbstverständlich manche Probleme der Verwaltung aufwarf und vor allem die Arbeitslast des immer noch monarchisch regierenden Generals ungebührlich steigerte. Der Briefverkehr allein umfaßte jährlich an die 15.000 Eingänge und Antworten, und wenn die „Prokuratoren“ in Rom Zusammenkommen, um über den Stand ihrer Provinzen zu berichten, fordert dies 80 Stunden nur der persönlichen Unterhaltung mit den 72 Vertretern aus aller Welt.

Mag man auch dieses Wachstum der Gesellschaft nicht unmittelbar dem Einfluß des Generals zuschreiben, so ist doch die Entwicklung des Missionswerkes in der Richtung einer Ökumene der Völker, einer weltweiten Gleichheit und Gleichberechtigung seiner Tatkraft, Anpassungsfähigkeit und Weitsicht zu verdanken. Während seiner Amtszeit wurden zwei neue Assistenzen, Indien und Südamerika, und drei neue Provinzen, Japan, Nahost- und Fernostprovinz, begründet. Das hei fit, daß diese Länder von den europäischen Mutter Provinzen losgelöst und ihnen gleichgestellt wurden, was nicht nur eine Erleichterung und Beschleunigung der Verwaltung bedeutet, sondern auch einen Schritt zu einem missionarischen Aggiorna- mento, zur eigenen bodenständigen Hierarchie und zur eigenen kulturellen Entwicklung.

P. General hat einmal im Jahre 1957 vor der Generalkongregation davon gesprochen, daß es nichts Schwierigeres gäbe, als über den inneren Wert eines Menschen ein Urteil zu fällen, und er hat mit den folgenden Worten vielleicht ein wenig sein eigenes Wesen charakterisiert: „Die große Mehrheit der

Söhne der Gesellschaft Jesu ist treu und ergeben. Tag für Tag und mit ganzem Herzen widmen sie sich der ihnen zugewiesenen Arbeit, aber sie suchen dabei in aller Demut unbekannt zu bleiben und für nichts geachtet zu werden. Sie verursachen den Oberen keine Mühen und noch weniger halten sie es so, daß man über sie an den General schreibt. Diese Männer, welche die wahre ignatianische Gesellschaft Jesu bilden, bleiben vor den Augen der Menschheit verborgen “

Alois Schrott

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