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Nicht mehr glaubwürdig

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Kann sich die Firma Österreich ein eingemottetes Kernkraftwerk Zwentendorf leisten oder nicht? Im Sinne des Konkursrechts sicher ja. Ob die Verzinsung und Rückzahlung des im Tullnerfeld verbauten Kapitals nun die österreichische Volkswirtschaft mit, wie es hieß, einer Milliarde Schilling oder vielleicht sogar -schwer vorzustellen - mit zwei Milliarden Schilling belastet -sie wird nicht die Zahlungsunfähigkeit erklären müssen.

Eine Milliarde Schilling ist ein Siebenhundertstel des österreichischen Volkseinkommens, bestenfalls ein Zwanzigstel dessen, was wir pro Jahr für den Ankauf neuer Pkw ausgeben (mit einer Milliarde könnte man anderseits aber auch die österreichische Entwicklungshilfe oder den Betrag, der für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Verfügung steht, verdoppeln!).

Schon eher die Frage ist, ob sich die Firma Österreich eine Zwentendorf-Mentalität leisten kann - sollte das Abstimmungsergebnis mehr als ein Denkzettel für Bruno Kreisky sein. Die Mentalität, die das „gesunde Volksempfinden“ zum Maßstab der industriellen Entwicklung Österreichs erhebt; die suggeriert, unser Land könne den Grad seiner

wirtschaftlichen Entwicklung ohne innere Konsequenzen unabhängig vom Ausland bestimmen, könne zwischen Graugänsen und fraktionierter Destillation ohne beschäftigungspolitische und einkommenspolitische Auswirkungen wählen.

Ganz sicher ist indes, daß wir uns das Maß an Unglaub-würdigkeit, das Manager und Politiker in der Frage Zwentendorf an den Tag gelegt haben, nicht leisten können.

Da macht die E-Wirtschaft in

„Die-Lichter-gehen-aus-Pa-nik“, um ein „Ja“ zu erreichen, und betont unmittelbar nach dem Bekanntwerden des „Nein“, daß die Stromversorgung selbstverständlich auch ohne Zwentendorf gesichert ist. Da will der ÖGB-Präsident, dessen Wort einiges gilt, glauben machen, daß das „Nein“ jedenfalls nicht die Konsumenten werden zahlen müssen - wie wenn die Industrie die von ihr mit teurerem Strom erzeugten Produkte selbst kaufen würde.

Die Nichtinbetriebnahme Zwentendorfs allein wird die industrielle Position Österreichs auf der Weltwirtschaftskarte kaum verrücken. Dazu ist selbst die von einem Kernkraftwerk (nicht) lieferbare Strommenge zu unbedeutend. Was unseren wirtschaftlichen Standort aber sehr wohl verschieben könnte, wären anhaltende Zweifel an der Ehrlichkeit der Wirtschaftsführer und Wirtschaftspolitiker. Bei Zwentendorf haben sie uns doch auch das Ende des Wohlstands vorausgesagt, und es ist dann nichts passiert. Vielleicht könnte man jetzt auch die eine oder andere stinkende Fabrik schließen oder den Flughafen Schwechat zusperren, ohne das uns das schadet?

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